Jedes Jahr Ende August reisen Notenbanker aus der ganzen Welt zum jährlichen Symposium der Kansas City Fed nach Jackson Hole (USA). Mit dabei von der Schweizerischen Nationalbank ist dieses Mal nicht wie gewohnt deren Präsident Thomas Jordan, sondern die Nummer zwei, das Direktoriumsmitglied Martin Schlegel. Und wie üblich fragt sich jeder vor allem, was Jerome Powell, Präsident der amerikanischen Notenbank Fed, zu sagen hat. Seine Rede wird am Freitagmorgen - europäische Zeit Freitagnachmittag - erwartet.

Die US-Notenbank hat letzte Mittwoch das Protokoll ihrer geldpolitischen Sitzung im Juli veröffentlicht. Diese Aufzeichnungen zeigen, dass die meisten Fed-Direktoren weiterhin ein erhebliches Aufwärtsrisiko für die Inflation sehen, was wiederum eine noch stärkere Straffung erforderlich machen könnte. Andererseits befürworteten zwei Direktoren die Beibehaltung der Zinssätze, was den ersten echten Hinweis auf Uneinigkeit über die weitere Vorgehensweise seit geraumer Zeit darstellt.

Seither zeigen wichtige Konjunkturdaten, dass der Preis- und Lohndruck weiter nachlässt. Dies untermauert die Argumente für ein Ende der Zinserhöhungen. Andererseits zeigen die Arbeitsmarktaktivitäten und die Verbraucherausgaben eine sehr robuste Konjunktur, was die politischen Entscheidungsträger hinsichtlich der Aussichten auf eine anhaltende Entspannung der Inflation weiter beunruhigen könnte.

Eine entscheidende Frage ist deshalb, wie Powell diese Entwicklungen bewertet. Darüber hinaus wird Hinweisen, wie die US-Notenbank zu möglichen Zinssenkungen im Jahr 2024 steht, grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Bloomberg Economics erläutert dazu: "Wir gehen davon aus, dass Powell in Wyoming einen ausgewogeneren Ton anschlagen wird, was auf das Ende des Straffungszyklus hindeutet und gleichzeitig die Notwendigkeit unterstreicht, die Zinssätze länger hoch zu halten.“

Ist der Zinsgipfel schon erreicht?

Thorsten Slok, Chefökonom des bekannten Hedge Fund Apollo in New York, ist gemäss einer Notiz der Meinung, dass die Fed-Geldpolitik restriktiver als erwartet ausfallen könnte. "Die Fed weiss nicht, ob die anhaltende Stärke der US-Wirtschaft darauf zurückzuführen ist, dass sie die Zinsen nicht ausreichend angehoben hat, oder ob die verzögerten Auswirkungen der Fed-Anhebungen länger als gewöhnlich anhalten."

Daher besteht der Ansatz der amerikanischen Währungshüter darin, die Zinssätze erhöht zu halten, bis sich die Wirtschaft zu verlangsamen beginnt, so Slok. "Vor diesem Hintergrund ist eine sanfte Landung keine Option, da die Fed die Zinsen so lange hoch halten wird, bis die Konjunkturabschwächung eintritt, die sie für eine gemässigte Geldpolitik benötigt."

Selbst wenn die Inflation sinkt und das Wachstum weiterhin stark ist, wird die Fed weiterhin restriktiv vorgehen, da sie befürchtet, dass ein starkes Wachstum zu einem erneuten Anstieg der Inflation führen könnte. "Für die Märkte bedeutet dies, dass eine Rezession eine Voraussetzung dafür ist, dass die Fed ihre restriktive Haltung einstellt", so die Schlussfolgerung von Slok. 

Larry Summers erachtet eine Rezession ebenfalls als notwendig

Eine Frage an Powell und die Fed während des Stelldichein der Notenbanker in Jackson Hole wird sicherlich sein, ob die USA auf eine Rezession zusteuern. Powell sagte letzte Woche, dass die Zentralbank nicht versuche, eine Rezession durch eine Erhöhung der Zinssätze herbeizuführen, und dass sie dies auch nicht für nötig halte, da sie Schwierigkeiten habe, die Inflation unter Kontrolle zu bringen.

Einige Ökonomen, darunter der frühere Finanzminister Larry Summers, glauben, dass Powell viel zu optimistisch ist, was die Fähigkeit der Fed angeht, die Preise zu kontrollieren, ohne die Arbeitslosigkeit in die Höhe zu treiben und eine Rezession auszulösen. "Es sei denn, wir haben eine Reihe sehr überraschender und positiver Entwicklungen“, sagte Summers gegenüber Politico. "Wir werden wahrscheinlich nicht erleben, dass die Inflationsrate ganz auf das Ziel von 2 Prozent sinkt, ohne dass es ein gewisses Mass an Inflation gibt.“

Summers, der auch einer von Obamas Top-Beratern im Weissen Haus war, bezeichnete die früheren Prognosen der Fed als "absurd". Die Inflation hat weitreichende Auswirkungen auf die führende Wirtschaftsmacht der Welt, insbesondere auf unzählige amerikanische Familien, die weiterhin von einem ausserordentlich starken Arbeitsmarkt profitieren, die aber auch mit historischen Preisspitzen zu kämpfen hatten, die Lohnerhöhungen zunichte machten und die Haushaltsbudgets belasteten.

Gemäss Summers stellt es auch eine grosse Herausforderung für die Präsidentschaft von Joe Biden dar, da eine Fehleinschätzung der Fed zu einem Einbruch der Wirtschaft, einer anhaltend hohen Inflation, oder schlimmer noch, beidem führen könnte. 

Während die Fed im Juni prognostizierte, dass die Arbeitslosenquote bis Ende des Jahres 4,1 Prozent und bis Ende 2024 4,7 Prozent erreichen würde, glauben einige Ökonomen, dass die Arbeitslosenquote auf 6 Prozent steigen und dort noch einige Zeit bleiben müsste, damit die Inflation dauerhaft sinkt. Das wäre ein Anstieg, der zweifellos mit einer Rezession zusammenfallen würde.

(cash/Bloomberg)