Das geht aus einem Dossier des Geheimdienstes hervor, in das die Nachrichtenagentur Reuters Einblick erhielt. Darin werden elf Beschuldigte namentlich und mit Fotos aufgeführt. Ein Regierungsvertreter sagte Reuters, bei den 190 handle es sich um den harten Kern von «Kämpfern, Killern». Insgesamt dürften etwa zehn Prozent der UNRWA-Mitarbeiter Verbindungen zu den beiden Gruppen unterhalten. Mehrere Staaten - darunter Deutschland - haben inzwischen die Hilfen für das Hilfswerk gestoppt.

«Anhand von nachrichtendienstlichen Informationen, Dokumenten und Ausweisen, die während der Kämpfe beschlagnahmt wurden, ist es nun möglich, rund 190 Hamas- und Islamischer-Dschihad-Terroristen zu identifizieren, die als UNRWA-Mitarbeiter tätig sind», heisst es in dem sechs Seiten langen, auf Hebräisch verfassten Dossier. Demnach soll die Hamas «ihre terroristische Infrastruktur methodisch und bewusst in einer Vielzahl von UN-Einrichtungen und -Vermögenswerten», einschliesslich Schulen, installiert haben. Einigen Mitarbeitern wird vorgeworfen, an dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen zu sein, bei dem nach israelischen Angaben rund 1200 Menschen getötet und rund 250 entführt wurden.

Dossier: Beschuldigter an Überfall auf Beeri beteiligt

So soll einer der elf namentlich Genannten an dem Massaker im Grenzdorf Beeri beteiligt gewesen sein, bei dem ein Zehntel der Bewohner getötet wurde. Ein weiterer Palästinenser wird beschuldigt, am Überfall auf ein Rave-Festival in Reim beteiligt gewesen zu sein. Dabei sollen über 360 Feiernde getötet worden sein. Bei einem weiteren soll es sich um einen Mitarbeiter einer Schule handeln, der seinem Sohn bei der Entführung einer israelischen Geisel geholfen haben soll. Einem UNRWA-Sozialarbeiter wird unter anderem vorgeworfen, Bewegungen der von den Angreifern benutzten Wagen sowie den Waffennachschub koordiniert zu haben. Ein Lehrer soll eine Geisel gefilmt haben. Zwei der mutmasslichen Kollaborateure wurden demnach inzwischen von den israelischen Streitkräften getötet.

Das Dossier wurde Reuters von einer Person vorgelegt, deren Name und Nationalität nicht genannt werden können. Der Informant gab an, das Dossier sei vom israelischen Geheimdienst zusammengestellt und den USA übermittelt worden. Palästinenser werfen Israel vor, Informationen gefälscht zu haben, um das UNRWA zu diskreditieren. Die Hamas hat ihrerseits Vorwürfe zurückgewiesen, Einrichtungen und Strukturen der UN zu nutzen. Das Hilfswerk selbst hat wegen der Vorwürfe einige seiner Mitarbeiter entlassen. Eine Sprecherin sagte Reuters, sie könne sich aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht zum Dossier äussern.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte am Wochenende angekündigt, jeden Mitarbeiter, der in «abscheuliche» Handlungen verwickelt sei, zur Rechenschaft zu ziehen. Er bat jedoch darum, das UNRWA aus humanitären Gründen weiter zu finanzieren: «Die Zehntausenden von Männern und Frauen, die für das UNRWA arbeiten, viele von ihnen in einer der gefährlichsten Situationen für humanitäre Helfer, sollten nicht bestraft werden.» Mehr als zehn Länder, darunter die USA und Deutschland, haben ihre Finanzhilfen wegen der Anschuldigungen eingestellt. Über die Hälfte der 2,3 Millionen Einwohner im Gazastreifen ist auf UNRWA-Hilfen angewiesen.

(Reuters)