Mehrere Einrichtungen der radikal-islamischen Hamas seien angegriffen worden, teilte das Militär am Donnerstag mit. Im Sender Armee Radio war vom bislang grössten Einsatz von Bodentruppen die Rede. Das Militär erklärte, der Einfall sei «in Vorbereitung auf die nächsten Phasen des Kampfes» erfolgt. Das könnte ein Hinweis auf einen grossangelegten Einmarsch von Bodentruppen sein, mit dem die israelische Regierung gedroht hat. Die massiven Angriffe aus der Luft, mit denen Israel auf den überraschenden Angriff der Hamas am 7. Oktober reagiert, hielten an. Um die Bevölkerung im Gazastreifen mit Hilfsgütern versorgen zu können, dringen die Staats- und Regierungschefs der EU auf beidseitige Feuerpausen und die Einrichtung «humanitärer Korridore».

Das israelische Militär rückte mit gepanzerten Fahrzeugen durch eine sandige Grenzzone vor. In einem vom Militär auf der Plattform X veröffentlichten Video vom nächtlichen Einsatz war zu sehen, wie Panzer Granaten abfeuerten. In der Nähe oder inmitten einer Reihe beschädigter Gebäude waren Explosionen zu sehen. «Die Soldaten haben das Gebiet inzwischen verlassen und sind auf israelisches Territorium zurückgekehrt», hiess es in der Militärerklärung.

Am Sonntag hatte das israelische Militär mit kleineren Angriffen am Boden begonnen. Unmittelbar nach dem Hamas-Angriff hatte es mit Luftangriffen auf den Gazastreifen reagiert. Nach israelischen Angaben wurden bei dem Hamas-Überfall rund 1400 Menschen getötet. In den seither ununterbrochenen Gegenangriffen kamen nach palästinensischen Angaben mehr als 6500 Menschen ums Leben. Erklärtes Ziel Israels ist es, die Hamas auszulöschen.

Im Flüchtlingslager Dschabalia im Norden des Gazastreifens wurde ein Haus von israelischen Geschossen getroffen. Eine Frau, ihre drei Töchter und ein Baby, ein Junge, wurden dabei getötet. Der Vater sagte, seine eigenen Eltern seien 1948 von Israelis aus ihrem Heim vertrieben worden. Er werde nicht gehen - was immer geschehe, sagte er neben den Leichen seiner Familienangehörigen und mit dem toten Säugling im Arm. «Er ist nur zweieinhalb Monate alt. Was hat er getan? Hat er jemanden umgebracht? Hat er jemanden verletzt? Hat er irgendjemanden gefangengenommen? Es waren unschuldige Kinder, die sich in ihrem Haus aufhielten.»

Nach Angaben palästinensischer Behörden wurden am Donnerstag auch sieben Menschen bei einem israelischen Luftangriff auf die Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens getötet. Dort suchen viele Tausende Palästinenser Unterschlupf, nachdem Israel sie zum Verlassen des Nordens aufgefordert hatte. Israel greift nach eigenen Angaben Ziele der Hamas an, zum Beispiel Raketenwerfer, die in der Nähe von Moscheen und Wohngebäuden stationiert seien.

Kämpfer der Hamas haben nach israelischen Angaben bei ihrem Überfall auch mehr als 200 Menschen verschleppt, die im Gazastreifen festgehalten werden. Das macht eine israelische Bodenoffensive schwierig. Nach Angaben des israelischen Militärs sind derzeit 224 Menschen in Geiselhaft. Das sei die bestätigte aktuelle Zahl, teilte das Militär mit. Bislang hat die Hamas vier Frauen wieder freigelassen.

Auf die sofortige Freilassung der Geiseln haben mehrfach auch europäische Staaten gedrungen. Im Entwurf für die Gipfelerklärung der 27 EU-Staats- und Regierungschefs wird ein «fortgesetzter, schneller, sicherer und ungehinderter humanitärer Zugang und Hilfe gefordert, um die Bedürftigen über alle notwendigen Massnahmen einschliesslich humanitärer Korridore und Pausen zu erreichen». Das zweitägige Gipfeltreffen, das an diesem Donnerstag beginnt, ist die erste persönliche Begegnung seit Beginn des Krieges. Der Europäische Rat sei sehr besorgt über die sich verschlechternde Lage der Menschen im Gazastreifen, heisst es im Entwurf für die Gipfelerklärung, die Reuters einsehen konnte. In dem schmalen Küstenstreifen leben dicht gedrängt rund 2,3 Millionen Menschen. Israel hat den Gazastreifen abgeriegelt.

(Reuters)