«Wir weiten unsere Bodenaktivitäten und den Umfang unserer Streitkräfte im Gazastreifen schrittweise aus», sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Sonntag. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuvor vom Beginn einer zweiten Phase gesprochen und gewarnt, der Krieg werde lang und hart sein: «Wir stehen erst am Anfang.»

Tausende Bewohner des von Israel seit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober bombardierten Gazastreifens plünderten Lagerhäuser und Verteilzentren des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA). Israel kündigte an, es werde in den kommenden Tagen einen grossen Anstieg der Hilfslieferungen in den Gazastreifen ermöglichen.

Israel setzte die Bombardierung des von der radikal-islamischen Hamas kontrollierten Gazastreifens am Sonntag fort. Kampfflugzeuge trafen nach Angaben des Militärs über 450 militärische Ziele der Hamas, darunter Kommandozentralen, Beobachtungsposten und Abschussrampen für Panzerabwehrraketen. Die Telefon- und Internetverbindungen im Gazastreifen waren am Sonntag teilweise wiederhergestellt, nachdem ein mehr als eintägiger Stromausfall Rettungsarbeiten beeinträchtigt hatte.

Auch das Zentrum Israels stand am Sonntag unter schwerem Raketenbeschuss, und in mehreren Grossstädten ertönten Sirenen. Die Al-Kassam-Brigaden, der bewaffnete Flügel der Hamas, erklärte via Telegram, dass sie «Tel Aviv als Antwort auf die zionistischen Massaker an Zivilisten» bombardieren würden.

Netanjahu sprach am Samstagabend vom Beginn der zweiten Phase des Krieges. Vor Journalisten in Tel Aviv sagte er, die Ziele des Krieges seien klar: «Die Zerstörung der Regierungs- und Militärkapazitäten der Hamas und die Befreiung der Geiseln.»

Hamas hatte am 7. Oktober Israel angegriffen und etwa 1400 Menschen auf israelischem Gebiet getötet. Bei den darauf folgenden israelischen Angriffen auf den Gazastreifen wurden seither nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörden 8005 Menschen getötet, davon 3324 Kinder und Jugendliche.

Bei der Plünderung von Lagerhäusern und Verteilzentren des Hilfswerks Unrwa wurden nach deren Angaben Mehl und andere lebensnotwendige Güter entwendet. Mit der Abriegelung des Gazastreifens durch Israel nach dem Hamas-Angriff ist die Versorgung der dort lebenden etwa 2,3 Millionen Menschen nahezu zum Erliegen gekommen. Nur über den ägyptischen Grenzübergang Rafah gelangen einzelne Hilfskonvois zu den Menschen. «Die Vorräte auf dem Markt gehen zur Neige, während die humanitäre Hilfe, die mit Lastwagen aus Ägypten in den Gazastreifen gelangt, unzureichend ist», erklärte das Unrwa.

Kaum Zugang zu Lebensmitteln und Wasser

Israel kündigte am Sonntag an, es werde in der kommenden Woche die Unterstützung für Hilfslieferungen aus Ägypten drastisch erhöhen. Der israelische Oberst Elad Goren von der Koordinierungsstelle Cogat rief die Bevölkerung im Norden des Gazastreifens nochmals auf, in den Süden zu fliehen. In der Gegend von Chan Junis im Süden des Gazastreifens gebe es eine humanitäre Zone. «Wir empfehlen den Zivilisten immer noch, sich dorthin zu begeben», sagte Goren. Vor allem der Norden des Küstenstreifens wird von Israel massiv bombardiert.

Vertriebene Palästinenser, die in Zelten in Chan Junis untergebracht sind, schilderten katastrophale Lebensbedingungen. Sie hätten kaum Zugang zu Lebensmitteln und Wasser und müssten stundenlang für die Toilette anstehen. «Ich wünsche mir, dass Gott uns gnädig ist und der Krieg aufhört», sagte Rami al-Erkan, ein Vater, der seine Tochter, eines seiner sechs Kinder, im Arm hielt. «Wir haben einen Zustand erreicht, in dem wir uns wünschen, unter den Trümmern gestorben zu sein, nur um etwas Ruhe zu finden. Unser Leben ist eine Tortur.»

Der Rote Halbmond wurde nach eigenen Angaben von Israel aufgefordert, das Al-Kuds-Krankenhaus im Gazastreifen sofort zu evakuieren. Seit Sonntagmorgen gebe es Angriffe etwa 50 Meter vom Krankenhaus entfernt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zeigte sich besorgt. «Es ist unmöglich, Krankenhäuser voller Patienten zu evakuieren, ohne deren Leben zu gefährden», sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Der Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan, rief die israelische Regierung auf, alle Möglichkeiten zu nutzen, um zwischen Zivilisten und Terroristen zu unterscheiden. Im Sender CNN erklärte er zudem, die Gewalt jüdischer Siedler im besetzten Westjordanland gegen unschuldige Bewohner sei vollkommen unannehmbar. Aus Sicht der USA habe Netanjahu die Verantwortung, gegen extremistische Siedler vorzugehen.

(Reuters)