Die deutsche Inflation ist 2022 trotz einer deutlichen Entspannung am Jahresende so hoch ausgefallen wie noch nie. Die Verbraucherpreise erhöhten sich um durchschnittlich 7,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte und eine erste Schätzung von Anfang Januar betätigte. "Die historisch hohe Jahresteuerungsrate wurde vor allem von den extremen Preisanstiegen für Energieprodukte und Nahrungsmittel seit Beginn des Kriegs in der Ukraine getrieben", sagte die neue Präsidentin des Statistikamts, Ruth Brand. Ein grösseres Plus hat es im wiedervereinigten Deutschland noch nicht gegeben. Die alte Rekordmarke für Westdeutschland von 7,6 Prozent aus dem Jahr 1951 wurde ebenfalls übertroffen. 2021 hatte die Inflation bei 3,1 Prozent gelegen. Für das laufende Jahr sagen die meisten Experten eine leichte Entspannung voraus. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) etwa rechnet mit 5,4 Prozent.

Hoffnung auf ein Abflauen der starken Teuerung macht der unerwartet starke Rückgang am Jahresende: Niedrigere Energiepreise und die staatliche Abschlagszahlung für Erdgas liessen die Verbraucherpreise im Dezember nur noch um 8,6 im Vergleich zum Vorjahresmonat klettern. Im November war die Teuerungsrate auf 10,0 Prozent gefallen, nachdem sie im Oktober mit 10,4 Prozent auf den höchsten Stand seit 1951 geklettert war.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzt darauf, dass die Inflation bis Ende 2023 deutlich abebbt. "Die wird dann hoffentlich schon unter fünf Prozent sein", sagte er dem TV-Sender "Welt" am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Voraussetzung sei, dass es gelinge, "weiter politisch kluge Entscheidungen zu treffen" und "die Energiepreise runterzubringen". Aber über das ganze Jahr gerechnet, werde die Inflationsrate "eher darüber" liegen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner bezeichnete 2022 mit der Inflation von 7,9 Prozent als Ausnahmejahr. "Die Prognosen für 2023 stimmen positiver", twitterte der FDP-Chef. "Diesen Trend sollten wir mit konkreten Massnahmen begleiten, indem wir wieder neue Wachstumsimpulse zu setzen, um unseren Wohlstand dauerhaft zu sichern."

Teuerung bei Energie und Lebensmitteln entspannt sich

"Deutschland hat den Höhepunkt der Inflation hinter sich gelassen, und das wird sich im Jahresverlauf 2023 zunehmend zeigen", sagte auch der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, Sebastian Dullien. Im Januar und Februar sei noch ein leichter "Zwischenanstieg" möglich. "Danach sollte es im Jahresverlauf im Trend aber abwärts gehen." Für das Gesamtjahr 2023 rechne das IMK mit einer Inflation von leicht über fünf Prozent, wobei zur Jahreswende 2023/24 die Teuerungsraten deutlich darunter liegen dürften.

Besonders stark verteuerte sich im Dezember erneut Energie als Folge des russischen Krieges gegen die Ukraine: Sie kostete durchschnittlich 24,4 Prozent mehr als im Dezember 2021, nachdem es im November sogar plus 38,7 Prozent waren. Öl und in der Folge auch Benzin, Diesel und Heizöl kosteten zuletzt an den Weltmärkten deutlich weniger. Die Einmalzahlung zur Entlastung der privaten Haushalte für Erdgas und Fernwärme hatte dagegen nur einen leicht dämpfenden Effekt, da nicht alle von der Massnahme profitieren.

Statistikamts-Präsidentin Brand sagte, krisen- und kriegsbedingte Sondereffekte wie Lieferengpässe und deutliche Preisanstiege auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen hätten die Teuerung angeschoben. "Auch wenn diese Preiserhöhungen nicht vollständig an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wurden, wurden für sie besonders Energie und Nahrungsmittel spürbar teurer." Energie verteuerte sich 2022 im Schnitt um 34,7 Prozent, während Lebensmittel 13,4 Prozent mehr kosteten. Im Dezember verteuerten sich Nahrungsmittel zwar sogar um 20,7 Prozent. IMK-Experte Dullien rechnet hier aber und bei den Energiepreisen in den nächsten Monaten mit Entspannung. "Auf dem Weltmarkt und im Grosshandel sind die Nahrungsmittelpreise bereits gefallen."

(Reuters)