Das Jahr 2023 hat Deutschlands Verbraucherinnen und Verbraucher mit der zweithöchste Teuerungsrate seit der Wiedervereinigung belastet. Im Jahresschnitt legten die Verbraucherpreise um 5,9 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt auf Basis vorläufiger Daten errechnet hat. Nach 6,9 Prozent Inflation 2022 war dies der zweithöchste Wert im wiedervereinigten Deutschland, wie die Wiesbadener Behörde am Donnerstag mitteilte.

Im Dezember zog die Inflation nach fünf Monaten mit rückläufigen Werten wieder auf 3,7 Prozent an. Im November war mit 3,2 Prozent der niedrigsten Stand seit Juni 2021 erreicht worden. Volkswirte hatten mit der Umkehr des Trends im Dezember gerechnet: Denn ein Jahr zuvor hatte der Staat in dem Monat einmalig die Kosten für den Abschlag der Gas- und Fernwärmekunden übernommen. Dieser preisdämpfende Effekt entfällt in der Berechnung für Dezember 2023. Von November auf Dezember 2023 stiegen die Verbraucherpreise den vorläufigen Zahlen zufolge um 0,1 Prozent.

Mit Blick nach vorne gehen die diversen Prognosen jedoch davon aus, dass die Inflation in Europas grösster Volkswirtschaft weiter sinken wird. So geht beispielsweise der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung («Wirtschaftsweise») von einer Teuerungsrate von durchschnittlich 2,6 Prozent im Jahr 2024 aus. Das Ifo-Institut rechnet mit 2,2 Prozent im Durchschnitt dieses Jahres.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hatten sich vor allem Energie und Lebensmittel sprunghaft verteuert. Bis auf 8,8 Prozent kletterte die Teuerungsrate in Deutschland im Herbst 2022, das war der höchste Stand seit der Wiedervereinigung. Zuletzt schwächte sich die Inflationsrate ab. Im Oktober und November 2023 waren nach Erkenntnissen des Statistischen Bundesamtes insbesondere viele Energieprodukte günstiger als ein Jahr zuvor. Auch die Jahresteuerung bei Nahrungsmitteln schwächte sich weiter ab, lag aber weiterhin deutlich über der Gesamtteuerung.

Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, diese können sich für einen Euro weniger leisten. Der finanzielle Spielraum der Menschen schrumpft, Einkommenszuwächse werden von der Inflation aufgezehrt.

Die bislang höchste Teuerungsrate in einem Gesamtjahr war in der damaligen Bundesrepublik 1951 mit 7,6 Prozent gemessen worden. Allerdings wurde die Berechnungsmethode im Laufe der Zeit geändert. Im Jahr 2021 hatten die Verbraucherpreise in Europas grösster Volkswirtschaft im Schnitt um 3,1 Prozent angezogen.

Zwei gegensätzliche Trends werden das Inflationsbild 2024 prägen

Mit Blick auf die Zukunft wird die Inflationsentwicklung in den kommenden Monaten von zwei gegenläufigen Trends bestimmt: einer stärkeren Desinflation und möglicherweise sogar einer Deflation aufgrund einer schwächeren Nachfrage, aber auch einem neuen Inflationsdruck aufgrund staatlicher Eingriffe, schreibt die ING Bank in einem ersten Kommentar.

Während der Abwärtstrend der Gesamtinflation im Jahr 2023 hauptsächlich auf Basiseffekte zurückzuführen war, wird die nächste Phase der Desinflation durch die Straffung der Geldpolitik der EZB vorangetrieben. Die Abschwächung der Nachfrage infolge höherer Zinsen sollte in den kommenden Monaten zu tatsächlichen Preisrückgängen führen. Dies spiegelt sich bereits in den Verkaufspreiserwartungen wider, die im Dienstleistungssektor deutlich zu sinken beginnen und dem früheren Trend im verarbeitenden Gewerbe folgen.

Andererseits werden die Massnahmen der Bundesregierung zur Schliessung der Finanzierungslücke im Haushalt bis 2024 für neuen Aufwärtsdruck auf die Inflation sorgen. Die Rückkehr der begrenzten Mehrwertsteuer von 7 Prozent auf die normalen 19 Prozent für Restaurantdienstleistungen wurde bereits beschlossen, bevor die Regierung in ihrem Haushalt 2024 eine Finanzierungslücke aufwies. Aber die Erhöhung der CO2-Emissionspreise, die Einführung einer Plastiksteuer, einer Flugsteuer und das Ende der Energiepreisobergrenzen sind neue Inflationstreiber im Jahr 2024. Daher gehen wir davon aus, dass die deutsche Inflation im Jahr 2024 bei rund 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr liegen wird Die Risiken tendieren eindeutig nach oben, so die ING Bank. 

Der Kampf gegen die Inflation dürfte auch im neuen Jahr eine zähe Angelegenheit bleiben, was auch an mehreren politischen Entscheidungen liegt, meint die Deutsche Bank. So dürften die Energiepreise im Januar zulegen, da der CO2-Preis von 30 Euro je Tonne stärker als ursprünglich geplant auf 45 Euro gestiegen ist. Zudem ist die Preisbremse bei Gas und Strom zum Jahreswechsel ausgelaufen. Ferner zahlen Gas- und Fernwärmekunden wieder die volle Mehrwertsteuer von 19 statt der ermässigten sieben Prozent. Auch auf Speisen in Restaurants kehrt sie auf das alte Niveau von 19 Prozent zurück. Die Ökonomen der Deutschen Bank gehen dennoch davon aus, dass die Inflationsrate 2024 sinken wird: Sie soll auf 2,6 Prozent fallen.

(cash/AWP/Reuters)