Die Welle der Risikoaversion, die zu Beginn der Woche durch die Märkte fegte, hat den Aufschwung des Schweizer Frankens beschleunigt. Die Schweizer Währung stieg am Montag gegenüber dem Euro mit zwischenzeitlich 0,9211 Franken auf seinen höchsten Stand seit fast einem Jahrzehnt, dies bereits nach seiner stärksten Woche seit der Invasion Russlands in der Ukraine Anfang 2022. Derzeit notiert das Währungspaar Euro/Franken bei 0,94.

Die Sorge vor einer möglichen Rezession in den USA, eine angespannte Geopolitik und eine heftige Neukalibrierung der japanischen Märkte haben den traditionellen Reiz des Frankens als Ort für Anleger, an dem sie in turbulenten Zeiten Bargeld parken können, wiederbelebt. Obwohl eine dritte Zinssenkung in Folge durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) im September beschlossene Sache zu sein scheint, hat dies dem Appetit langfristiger Anleger und spekulativer Fonds keinen Abbruch getan.

Gleichzeitig ist nicht klar, ob die SNB aggressivere Schritte unternehmen muss, um die Kursgewinne einzudämmen. Bisher deuten Daten darauf hin, dass der starke Franken nicht zu einer Inflationsabschwächung beiträgt, die der Wirtschaft schaden könnte.

Geoff Yu, leitender Stratege bei der Bank of New York Mellon, hält erhebliche Währungsinterventionen für unwahrscheinlich. "Ich sehe noch keine klaren Anzeichen dafür, dass die Kursgewinne des Frankens vorbei sind", sagte er. Selbst nachdem der Franken seit Mai um etwa 5 Prozent zugelegt hat, halten Kunden der BNY, der grössten Depotbank der Welt, immer noch untergewichtete Positionen in der Währung. "Der Weg des geringsten Widerstands" deutet auf weitere Kursgewinne hin, sagte Yu.

Laut Daten der CFTC, der Commodity Futures Trading Commission mit Sitz in Washington, haben die Anleger ihre Wetten auf eine Abschwächung des Frankens in der zweiten Woche in Folge drastisch reduziert. Die Positionen liegen immer noch nahe ihrem höchsten Stand seit 2007, was darauf hindeutet, dass der Abbau noch viel Spielraum hat.

Fairer Wert zwischen 0,95 und 0,90 für das Euro-Franken-Paar

Die Märkte preisen eine Senkung des Leitzinses durch die SNB um 25 Basispunkte am 26. September vollständig ein, wobei die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Senkung im Dezember bei etwa 60 Prozent liegt, wie Swaps zeigen. Damit läge der Leitzins bei 0,75 Prozent, womit die SNB die aggressivsten Zinssenkungen unter den bedeutenden Zentralbanken durchgeführt hätte. Eine Lockerung der Geldpolitik ist normalerweise negativ für eine Währung, da sie die Rendite reduziert, die Anleger auf darin eingepreiste festverzinsliche Vermögenswerte erhalten.

"Ich würde nicht sagen, dass der Franken schon überbewertet ist", sagt Adriel Jost, Fellow am Institut für Schweizerische Wirtschaftspolitik in Luzern. Der jüngste Sprung sei "eher eine Normalisierung" mit reichlich Spielraum für einen weiteren Anstieg des Frankens, da die Inflation im Euroraum anhaltend höher sei als in der Schweiz, sagte er.

Die Inflation in der Schweiz blieb im Juli im Vergleich zum Vorjahr bei 1,3 Prozent, verglichen mit einem Anstieg auf 2,6 Prozent in der gemeinsamen Währungszone. Jost sagte, er sehe einen Bereich zwischen 0,95 und 0,90 als fairen Wert für das Euro-Franken-Paar. 

Die Aufwertung des Franken hält derweil die Schweizer Exportindustrie auf Trab. Die neuerliche Verschärfung bei den Währungen treffe eine der wichtigsten Exportbranchen in einem empfindlichen Moment, schreibt Swissmem, der Verband der Schweizer Tech-Industrie, in einer Mitteilung am Mittwoch.

Denn nach einer mehr als einjährigen Durstrecke hatte sich eine langsame Erholung abgezeichnet. Könne der Aufwertungsdruck nicht gebremst werden, lösten sich die Hoffnungen in Nichts auf. "Gefordert ist kurzfristig im Rahmen ihres Mandats die Schweizerische Nationalbank (SNB). Die Politik muss die Rahmenbedingungen für den Standort Schweiz energisch verbessern", so Swissmem.

Die Nationalbank habe Spielraum, um mit den aus ihrer Sicht besten Instrumenten schockartige Aufwertungen auch zukünftig zu verhindern oder abzudämpfen, so wie sie das an ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung vom 20. Juni 2024 festgehalten habe, schreibt Swissmem weiter.

(Bloomberg/cash)