cash.ch: Herr Chu, Chinas Premier Li Qiang hat am WEF eine mit Spannung erwartete Rede gehalten. Wie beurteilen Sie den Auftritt?

Victor Chu: Ich glaube, es war eine praktische Rede mit viel Goodwill. Aber man muss das Ganze im grösseren Rahmen sehen. Das Jahr 2024 steckt voller grosser Herausforderungen: Politik, Gesundheit, Cybersicherheit, Politik, das sind die wichtigsten Themen. Da ist Robustheit gefragt.

Chinas Premier ist optimistisch bezüglich des Wachstums in China, das in den letzten Jahren gelitten hat. Sind Sie auch optimistisch?

Ja, aber mit dem Hintergrund im Kopf, dass sich China in einer Phase der Erholung und des Übergangs befindet. Man darf die hohen Wachstumsraten des Landes nicht vergessen, welche Jahr für Jahr erzielt wurden. Das war nicht nachhaltig, und die Führung hat das begriffen. Die Phase des Übergangs dauert länger als gedacht aufgrund der Pandemie und wegen externer Faktoren.

Wegen der unzimperlichen Eingriffe bei Unternehmen hat Chinas Regierung aber auch extrem viel Vertrauen bei ausländischen Investoren verspielt. Der Aktienkurs von Alibaba ist Welten vom Höchststand entfernt. Wie lange braucht es, bis dieses Vertrauen wieder hergestellt ist?

Es sind Zyklen. Und man sollte in den chinesischen Markt nicht mit denselben Erwartungen gehen wie zum Beispiel in den europäischen oder in den amerikanischen Aktienmarkt. In China gibt es einige besondere Themen wie zum Beispiel Transparenz, der Markt ist zudem strukturell anders. Aber ich glaube, dass die Investoren nach einer gewissen Zeit wieder zurückkehren.

Welche Märkte halten Sie im laufenden Jahr 2024 für interessant?

Die einzige grosse Volkswirtschaft, die in diesem Jahr mehr als 6 Prozent wachsen wird, ist Indien. Japan ist derzeit ein preiswerter Markt wegen des Yens. Die japanischen Firmen überzeugen auch mit ihrer Qualität.

Und welche Brachen?

Ernährungssicherheit, IT-Sicherheit, Gesundheit und Pharma. Ja, hier spielen Schweizer Firmen eine grosse Rolle. Ihr seid echt gut auf diesen Gebieten. Ich bin ein Fan von Schweizer Unternehmen. Sie eignen sich sehr gut für die Portfolio-Diversifikation und bieten eine Art “sicherer Hafen”. Ich mag auch die Transparenz der Schweizer Firmen. Wir möchten da mehr tun.

In den USA sind Wahljahre statistisch gesehen gute Börsenjahre. Wird das in diesem Jahr auch so sein?

(überlegt) Ich glaube, das Jahr wird eher schwierig. Es gibt derzeit sehr viele Faktoren, die nicht vorhersehbar sind. In den USA beträgt der Schuldenberg 34 Billionen Dollar. Das Problem muss man unbedingt angehen. Und sollte der US-Kongress so polarisiert bleiben, dann erreichen wir einen Punkt, an dem keine Entscheide mehr getroffen werden. Dann haben wir ein riesiges Problem.

Haben Sie Schwarze Schwäne im Hinterkopf, die auftauchen könnten?

Sie kennen die Konflikte, die wir derzeit auf der Welt haben. Ich hoffe einfach, dass kein weiterer dazu kommt. Zudem ist die Gefahr einer weiteren Pandemie keineswegs gebannt. Dafür müssen wir besser vorbereitet sein.

Victor Lap Lik Chu ist seit 1988 CEO und Chairman der First Eastern Investment Group in Sitz in Hongkong. Sie ist eine der führenden Investmentgesellschaften in China mit Fokus auf Private Equity und Venture Capital. Chu investierte früh in China und baute sich dadurch viele Beziehungen auf höchster Ebene auf. Chu wurde 1957 in China geboren und kam in Alter von vier Jahren nach Hongkong. Er besitzt die britische Staatsbürgerschaft. Im Jahr 2011 gewann Chu zusammen mit Prof. Lawrence Summers und Jean-Claude Trichet den Weltwirtschaftlichen Preis des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Von 2008 bis 2014 war Chu Verwaltungsrat bei der Zurich Insurance Group. Er ist heuet Mitglied des Verwaltungsrates von Airbus und Nomura. Chu präsidiert zudem den Rat des University College London.

Daniel Hügli
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