Mit einer Bewertung von geschätzten 100 Milliarden wäre Xiaomi nicht nur der weltweit grösste Börsengang des laufenden Jahres, sondern auch seit Alibaba im Jahr 2014. Zwar wäre Xiaomi damit allerdings immer noch zehnmal kleiner als sein grosses Vorbild Apple aus den USA. Parallelen zwischen den beiden Unternehmen gibt es dennoch viele.

Da wäre zum einen Xiaomis CEO Lei Jun, der sich für seine Auftritte auch schon in Jeans und schwarzem Pullover kleidete - wie das der verstorbene Apple-Chef Steve Jobs immer tat. Auch haben Lei Juns Produktpräsentationen mittlerweile Kultstatus und werden von Millionen Menschen sehnsüchtig erwartet und verfolgt.

Zudem setzt auch Xiaomi auf ansprechend gestaltete Smartphones von vergleichsweise hoher Qualität. So verfügen auch die günstigeren Modelle über ein Aluminiumgehäuse. Und: Das Service-Geschäft, also der Erlös aus Streaming- oder Speicherdiensten, soll zum zukünftigen Wachstumstreiber werden.

Entgegen westlichen Standards

Dennoch hebt sich Xiaomi auch in zahlreichen Punkten von der Konkurrenz ab. Zum Beispiel beim Preis: Das Topmodell ist in der Schweiz für rund 450 Franken zu haben. Das kostengünstigste iPhone X kostet 600 Franken mehr. Xiaomi stellt aber nicht nur Smartphones her. Auch Notebooks und Fernseher gehören zum Sortiment, genauso wie intelligente Staubsauger und Küchengeräte. Der Konzern ist sogar an einer Bank beteiligt.

Diese breite Produktpalette hat Xiaomi auch schon den Vorwurf des mangelnden Fokus eingebracht. Der britische "Economist" etwa schrieb jüngst, Xiaomi entziehe sich etlichen westlichen Idealen wie fokussiert, berechenbar und in breitem Besitz zu sein. Xiaomi sei das Gegenteil. Nämlich ausufernd, eng kontrolliert und hyperaktiv.

Das macht den Börsengang von Xiaomi, der wahrscheinlich noch im Juni am Hongkonger Aktienmarkt vorgesehen ist, zum Risiko. Niemand weiss, wie wertvoll das 2010 gegründete Unternehmen von Investoren eingeschätzt wird. Mit Veröffentlichung des Börsenprospekts gab Xiaomi erstmals Einblick in seine Finanzen. Demnach verbuchte die Firma im vergangenen Jahr einen Verlust von 43,9 Milliarden Yuan (6,8 Milliarden Franken) aufgrund eines Sondereffektes. 2016 war ein Reingewinn von 491 Millionen Yuan verbucht worden. Der Umsatz sprang 2017 um 67 Prozent auf 115 Milliarden Yuan (17,7 Milliarden Franken).

Deshalb ist die Frage berechtigt, ob das Xiaomi-IPO so erfolgreich sein kann wie zuvor jenes von anderen chinesischen Technologie-Unternehmen. Als sich Alibaba vor vier Jahren in New York kotieren liess, nahm der Onlinehändler 25 Milliarden Dollar ein. Die Aktie ist seither von 93 auf aktuell 205 Dollar gestiegen (siehe Chart). Auch mit den Aktien des Google-Rivalen Baidu oder des Internetkonzerns Tencent ging es in den letzten Jahren teilweise steil nach oben.

Der Aktienkurs von Alibaba seit dem Börsengang im September 2014 (Quelle: cash.ch)

Unter den weltweit führenden Smartphone-Herstellern ist Xiaomi hinter Samsung, Apple und Huawei derzeit die Nummer vier mit einem Marktanteil von 7,4 Prozent. Dies auch dank der starken Stellung in Indien, wo die Chinesen Marktführer sind. Dennoch bleibt die internationale Expansion eine grosse Herausforderung. Der Heimmarkt macht immer noch mehr als 70 Prozent des Gesamtumsatzes aus.

Von den erhofften zehn Milliarden Dollar, die Xiaomi beim Börsengang in Hongkong einnehmen will, soll ein grosser Teil in die globale Expansion fliessen. Auch für Forschung und Entwicklung von vernetzter Technik will der Konzern laut eigenen Angaben einiges ausgeben. Xiaomi werde zum Leben von Milliarden Menschen weltweit gehören, verkündete Gründer und Chef Lei Jun selbstbewusst.

Xiaomi und andere Smartphone-Hersteller müssen unbedingt neue Geschäftsfelder erschliessen, wollen sie langfristig überleben. Denn der Markt zeigt erste Sättigungstendenzen. Jüngst wurden zwar weltweit wieder mehr Smartphones verkauft. Im letzten Weihnachtsquartal waren die Verkäufe aber um 5,6 Prozent zurückgegangen. Zudem sind die Handy-Margen für Billigproduzenten wie Xiaomi tief. Auch deshalb ist der Service-Bereich, wo die Differenz zwischen Kosten und Erlös viel höher ist, so wichtig.

Nur für risikofeste Investoren

Für Schweizer Anleger lässt sich festhalten: Wer zu einem ohnehin schon riskanteren Technologie-Investment noch die China-Komponente beimischen möchte, sollte Xiaomi auf dem Radar behalten. Diese beinhaltet, dass Chinas Führung den heimischen Tech-Giganten kräftig unter die Arme greift. Sechs Investmentfonds sollen im Auftrag der Regierung bei Investoren bis zu 300 Milliarden Yuan (46 Milliarden Franken) einsammeln, um das IPO zu unterstützen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete.

Die Fonds sollen zu Ankerinvestoren werden, die ihre Aktien drei Jahre lang halten. Bei vielen Marktbeobachtern werden solche staatlich gestützten Börsengänge kritisch gesehen. Denn insbesondere Technologie-Aktien haben in diesem Jahr einen schweren Stand. Hohe Bewertungen und Diskussionen über mangelnden Datenschutz wie im Falle von Facebook haben für zunehmende Zweifel am Sektor gesorgt. Ende März sagten 63 Prozent von über 5000 cash-Lesern in einer Abstimmung, sie würden keine Tech-Aktien kaufen.