Nicht nur die Aktien der magischen Sieben - Alphabet, Apple, Amazon, Facebook, Microsoft, Nvidia und Tesla - werden zuweilen mit einem sehr hohe Kurs-/Gewinnverhältnis (KGV) von über 100 gehandelt. Schweizer Wachstumsperlen wie Bachem wiesen in der Vergangenheit ebenfalls derart hohen KGVs aus.

Das Kurs-/Gewinn-Verhältnis (KGV) - auf englisch price-earnings-ratio oder P/E - ist in der Aktienanalyse eine bewertungstechnische Kennzahl, bei welcher der Börsenkurs einer Aktie dem Gewinn je Aktie gegenübergestellt wird. Es drückt aus, wie oft der Gewinn im aktuellen Kurs enthalten ist. Dazu wird der Aktienkurs durch den Gewinn pro Aktie dividiert. 

Je höher dabei das KGV, desto länger dauert es, bis der Gewinn den aktuellen Kurs wieder eingespielt hat. Value-Investoren bevorzugen deshalb Aktien mit einem tiefen KGV von unter 15 und einer soliden Dividende, während technologie- und generell wachstumsaffine Investoren ein hohes KGV in Kauf nehmen. Dies, weil durch das hohe, in Aussicht gestellte Gewinnwachstum das aktuell hohe KGV im Laufe der Zeit deutlich schneller sinken sollte als bei Value-Aktien. 

Bei Bachem beläuft sich das KGV mittlerweile nur noch auf 37 für das kommende Geschäftsjahr, nachdem sich der Aktienkurs in den letzten zwei Jahren von 150 Franken auf 63,40 Franken mehr als halbiert hat. Gemäss einer Auswertung der Helvetischen Bank notiert die Aktie am Donnerstag mit diesem KGV zwar immer noch in der Spitzengruppe der Schweizer Aktien mit den höchsten KGV, lag damit aber nicht mehr auf dem absoluten Spitzenplatz. Zwei Titel weisen inzwischen einen noch höheren Wert aus: VAT hat für 2024 nun das höchste KGV (54), gefolgt von Skan (44). 

In der ersten Verfolgergruppe inklusive Bachem finden sich, Straumann (KGV 40 für 2024), Belimo (38) und Lindt+Sprüngli (37), gefolgt vom Mittelfeld mit den fünf Unternehmen EMS-Chemie (34), Givaudan (32), Sika (31), Geberit (29), LEM (29), Interroll (29), Lonza (27) und Tecan (27). Danach folgt noch die Gruppe der "Günstigen unter den Teuren", wie Remo Rosenau, Leiter Research bei der Helvetischen Bank, gegenüber cash.ch ausführte. Dies sind Schindler (20) - bereinigt um die hohe Netto-Cashposition - sowie Richemont (17) und Barry Callebaut (16).  

Spitzengruppe ist anspruchsvoll bewertet

Gerade die Aktien aus der Spitzengruppe um VAT sind nach der teilweise starken Performance im Jahr 2023 weiterhin anspruchsvoll bewertet. Das erhöht natürlich auch die Risiken für zwischenzeitliche Kurskorrekturen, sagt Rosenau. Dies insbesondere, falls es im kommenden Jahr doch nicht zu den nun bereits antizipierten Rückgängen bei den Zinsen kommen sollte. 

Der Markt erwartet von heute bis zum September 2024 in den USA bereits fünf Zinssenkungsschritte um jeweils 25 Basispunkte auf eine neue Ziel-Bandbreite von 4,00 bis 4,25 Prozent. Das muss dann auch geschehen, wozu es eher schlechte Wirtschaftsdaten braucht. Somit dürften Anlegerinnen und Anleger gemäss Rosenau wohl «wieder im Paradoxon angelangt sein, wo überraschend gute Wirtschaftsdaten die Börsen negativ beeinflussen könnten, da dies die erwarteten Zinssenkungen gefährden würde.»

Favoriten sind im Mittelfeld zu suchen

Belimo und Straumann sind beides qualitativ hervorragende Unternehmen mit starker Innovationskraft und intakten Wachstumsaussichten, weshalb das erhöhte Bewertungsniveau auch gerechtfertigt ist. Für 2024 wird für Belimo ein Gewinnwachstum von rund 12 Prozent und für Straumann sogar eines von 19 Prozent erwartet. Das erscheint auf den ersten Blick einigermassen plausibel, erklärt der Leiter Research der Helvetischen Bank. 

Etwas entspannter präsentiert sich die Lage im Mittelfeld – also bei Givaudan und den Perlen aus der Industrie. Viele dieser Unternehmen mussten in den vergangen 12 Monaten bereits eine Gewinnrezession hinnehmen (Geberit, EMS und Interroll) oder defensive Qualitäten (Givaudan) beweisen. Die Bewertungen von Geberit, Sika und EMS-Chemie hat sich für Rosenau im Vergleich zu 2021 inzwischen auch merklich vergünstigt. Sika verfügt zudem mit der Konsolidierung von MBCC, sowie durch mögliche weitere Akquisitionen auch über einen anorganische Wachstumstreiber, welcher nicht unterschätzt werden darf.

Bei der Gruppe der "Günstigen unter den Teuren" gefällt der Helvetischen Bank vor allem Schindler, welche früher auch lange Zeit schon teurer bewertet war. Seit dem Höchststand vom 13. August 2021 bei 306,60 Franken hat der Valor mit einem Kursrückgang von 32 Prozent massiv Federn gelassen. Dies wegen internen Effizienzproblemen und weil der Markt grosse Sorgen bezüglich des Immobilienmarktes in China hatte. Damit weist Schindler inzwischen aber einen erheblichen Abschlag zur eigenen historischen Bewertung auf. Die Lage verbessert sich nun aber, so Rosenau meint: «CEO Silvio Napoli hat die Organisation ordentlich durchgeschüttelt und damit aus der Komfortzone geholt. Der erhebliche Margenabstand zu Otis soll endlich verkürzt werden und die Daten aus China werden auch langsam besser.»

Ein bekanntes Wachstumsunternehmen der letzten Jahre ist von der Liste der ersten Verfolger von der Spitze bis ganz an das Ende zurückgefallen: Lonza. Die Valoren des Anbieters von Produkten und Dienstleistungen für die Pharma- und Gesundheitsbranche (-27 Prozent 2023) leiden aktuell unter der erhöhten Vergleichsbasis aus der COVID-Zeit und unter dem überraschenden Wegfall des Moderna-Impfstoffs. Zudem leidet der ganze Biotechnologiesektor - die Kunden von Lonza - nach dem erfolgten Zinsanstieg unter einer etwas angespannten Finanzierungssituation, was die Umsatzentwicklung von Lonza indirekt über die Pipeline negativ beeinflusst.

Ein Vergleich über die letzten fünf Jahre zeigt, dass diese Schweizer Valoren mit einem hohen KGV den Gesamtmarkt unter Einschluss der Dividenden outperformen. Einzig Geberit schafft die Marke von 10 Prozent annualisiertem Return nicht, wie untenstehende Tabelle zeigt. 

Titel von «Teuer» zu «Günstig» KGV 2024 KGV 2025 TR 5 Jahre
VAT Group 54 41 218.22%
Skan 44 34 982.15%
Bachem 37 30 170.39%
Lindt 37 34 85.03%
Belimo 38 34 129.24%
Straumann 40 34 82.80%
EMS 34 30 51.55%
Givaudan 32 30 59.36%
Sika 31 27 101.94%
LEM Holding 29 26 105.37%
Geberit 29 27 44.35%
Interroll 29 26 82.14%
Schindler 20 18 51.55%
Richemont 17 16 59.36%
Barry Callebaut 16 13 94.00%

Bemerkung: TR = Total Return / Quelle: Helvetische Bank (21.12.2023), Bloomberg, cash.ch

 

Hätte ein Anleger vor fünf Jahren diese 15 Wachstumsaktien ins Depot gelegt mit je einem gleichgewichteten Anteil von 6,66 Prozent, so hätte daraus eine Performance von 154,50 Prozent resultiert. 

Der französische Autor Victor Hugo hat treffend beschrieben, was auch an der Börse für wachstumsstarken Schweizer Aktien als Weisheit gelten kann: «Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.» 

Thomas Daniel Marti
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