Vier Soldatinnen wurden am Vormittag in Gaza-Stadt dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben. Auf Live-Fernsehbildern waren die in Militäruniform gekleideten Frauen zu sehen, sie lächelten und winkten. Anschliessend fuhren sie in IKRK-Fahrzeugen davon und wurden auf einem israelischen Militärstützpunkt von ihren Angehörigen in Empfang genommen. In Tel Aviv verfolgten Hunderte jubelnde Israelis die Übergabe auf einem riesigen Bildschirm. Im Gegenzug zur Freilassung der vier Soldatinnen sollen 200 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Es ist der zweite Austausch seit Beginn der Waffenruhe vor knapp einer Woche.
Bei der ursprünglich erst für den Nachmittag erwarteten Geiselübergabe waren neben IKRK-Fahrzeugen und -Vertretern Dutzende bewaffnete Hamas-Kämpfer sowie zahlreiche Anhänger der radikal-islamischen Organisation zu sehen. Die Freilassung der Frauen schien geordneter abzulaufen als das Verfahren am Sonntag vor einer Woche, als im Rahmen der Waffenruhe-Vereinbarung die ersten drei, ebenfalls weiblichen, Geiseln freikamen.
Am Samstag stiegen die Soldatinnen zunächst aus einem Fahrzeug aus und wurden von Hamas-Kämpfern auf ein provisorisch aufgebautes Podium gebracht. Kurz darauf stiegen sie in IKRK-Autos, die sie zu den israelischen Streitkräften bringen sollten. Nach Angaben des Militärs sind die Frauen inzwischen wieder in Israel. Dem Gesundheitsministerium zufolge sollen sie zunächst in einem Krankenhaus untersucht werden. Die Soldatinnen waren seit über 15 Monaten in der Gewalt der Hamas. Sie waren auf einem Spähposten am Rande des Gazastreifens stationiert gewesen, der im Zuge des Hamas-Überfalls auf Israel am 7. Oktober 2023 überrannt worden war.
Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock begrüsste die Freilassung der Soldatinnen. «Vier junge Frauen sind nach 477 Tagen in der Hölle endlich aus den Händen der Hamas-Terroristen», schrieb die Grünen-Politikerin auf dem Portal Bluesky. «Alles muss getan werden, dass der Waffenstillstand hält und alle Geiseln freikommen.» Ihre Gedanken seien bei den Familien, die weiter um die Freilassung ihrer Liebsten bangen müssten - darunter auch Deutsche. «Auch heute stehen wir mit all unseren Bemühungen an ihrer Seite.»
Kurz vor der Freilassung der Soldatinnen hatte die Hamas eine Liste mit 200 palästinensischen Häftlingen veröffentlicht, die im Gegenzug aus israelischen Gefängnissen freikommen sollen. Darunter sind Extremisten, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt sind. Sie sollen an Angriffen beteiligt gewesen sein, bei denen Dutzende Menschen starben. 70 der 200 Häftlinge sollen nach ihrer Freilassung aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland abgeschoben werden, wie die Hamas mitteilte. Am vergangenen Sonntag hatte die Hamas drei Zivilistinnen im Austausch für 90 palästinensische Häftlinge freigelassen.
Am Samstag kam kurz nach der Übergabe der Soldatinnen vom israelischen Militär Kritik an der Hamas. Die Islamisten hätten sich nicht an die Waffenruhe-Vereinbarungen gehalten, nach denen sie zunächst israelische Zivilisten hätte freilassen müssen, erklärte ein Militärsprecher auf X. Auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äusserte sich dazu: Israel werde den Palästinensern keine Rückkehr in den Norden des Gazastreifens erlauben, bis der Streit um eine israelische Zivilistin beigelegt sei, sagte er. Mit ihrer Freilassung sei heute gerechnet worden. Die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr aus Kreisen von Hamas-Vermittlern, dass die Frau am kommenden Samstag freikommen soll.
In der ersten sechswöchigen Phase der Vereinbarung für eine Waffenruhe soll die Hamas insgesamt 33 Geiseln freilassen, darunter Kinder, Frauen, ältere Männer sowie Kranke und Verwundete. Im Gegenzug sollen Hunderte palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.
Aktuell sind den israelischen Behörden zufolge noch 90 Geiseln im Gazastreifen. Rund ein Drittel von ihnen wurde von den Behörden für tot erklärt. Bei dem Hamas-Überfall auf Israel wurden mehr als 250 Geiseln verschleppt, rund 1200 Menschen starben. Mehr als 47.000 Palästinenser wurden bei der darauffolgenden Offensive Israels im Gazastreifen getötet.
(Reuters)