In den letzten Wochen und Monaten waren sich die Marktteilnehmer einig: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird an der am kommenden Donnerstag anstehenden geldpolitischen Lagebeurteilung die Zügel noch einmal straffen und den Leitzins von 1,75 um 0,25 Prozentpunkte auf 2,00 Prozent anheben.

Thomas Jordan, Präsident des SNB-Direktoriums, hatte an der letzten Sitzung im Juni eine weitere Leitzinserhöhung bereits angedeutet. Ein wesentlicher Grund liegt in der Inflationsprognose der SNB, welche für die Jahre 2023 und 2024 von 2,2 Prozent und für das Jahr 2025 von 2,1 Prozent ausgeht. Damit läge diese künftig noch immer über dem Zielband von null bis zwei Prozent.

Trotz des sinkenden Inflationsdruck in der Schweiz, der schwachen Konjunktur im Industriebereich sowie den weiterhin rückläufigen Produzenten- und Importpreise gehen sechs von sieben von cash.ch befragte Banken davon aus, dass der Leitzins um 25 Basispunkten nach oben angepasst wird. Es sind dies Pictet, Raiffeisen, St. Galler Kantonalbank, UBS, VP Bank und Zürcher Kantonalbank. Einziger "Abweichler" ist Karsten Junius von der Bank J. Safra Sarasin, der eine weitere Leitzinserhöhung für nicht notwendig erachtet. 

Mieter und Schuldner von Saron-Hypotheken dürften sich freuen 

Das weltwirtschaftliche Umfeld und der Inflationsdruck in der Schweiz haben sich zuletzt deutlich abgeschwächt, so dass eine weitere Zinserhöhung in diesem Monat nicht notwendig sei, sagt er. «Stattdessen wäre eine restriktive Pause effektiver. Da der Wechselkurs seit der letzten SNB-Sitzung weiter gestiegen ist, wird unsere Ansicht, dass die SNB diesen Monat nicht anheben sollte und wird», betont Junius.

Nebst den Saron-Hyptohekarschuldnern dürften sich auch die Mieter freuen, denn mit einem Ausbleiben einer Zinserhöhung nimmt das Risiko ab, dass der hypothekarische Referenzzinssatz per Ende Jahr übermassig ansteigt. Damit würden die Mietzinserhöhungen geringer ausfallen. 

Eine Überraschung ist möglich

Ein Ausbleiben einer Zinserhöhung käme auf den ersten Blick also einer faustdicken Überraschung bei. Im Rückspiegel zeigt sich allerdings, dass die Schweizerische Nationalbank eine unabhängige Geldpolitik betreibt und nicht immer das tut, was der Markt von ihr erwartet. Ebenso wenig dürfte sie sich von der Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) vom vergangenen Donnerstag beeinflussen lassen.

Auf den Entscheid, ob die SNB eine Pause einlegt oder weiter erhöht, haben nebst der Konjunktur- und Inflationsentwicklung auch noch andere Faktoren einen Einfluss. Einerseits besteht das Direktorium der SNB nach dem Wechsel von Andrea Mächler zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) derzeit nur aus den zwei Mitgliedern Thomas Jordan und Martin Schlegel - die Nachfolgerin oder der Nachfolger ist noch nicht bestimmt. Das Duo wird bei ihrem Zinsentscheid deshalb um das stellvertretenden Direktoriumsmitglied Thomas Moser komplettiert. Pikanterweise ist Moser für die Bereiche Geldmarkt und Devisenmarkt zuständig. 

Die Nationalbank hat in diesem Jahr ausländische Devisen verkauft, um die importierte Teuerung möglichst niedrig zu halten. Dies ist ihr gelungen, der Schweizer Franken ist im Jahresverlauf die stärkste Währung unter den zehn wichtigsten Devisenpaaren. Aus dem Umfeld der Nationalbank ist nun allerdings zu hören, dass ein derart starker Anstieg des Frankens in diesem Umfang nicht erwartet wurde. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass ein Zinsschritt ausbleiben könnte. Würde die SNB nun die Wirtschaft wegen der Frankenstärke ganz abwürgen, wäre ihr viel Kritik gewiss. 

Ein weiterer Faktor ist die Reaktion der Devisenmärkte. Trotz Zinserhöhung durch die EZB verlor die europäische Gemeinschaftswährung am Donnerstag deutlich an Wert. Die Auguren gehen davon aus, dass dies der letzte Zinsschritt der EZB gewesen sei und kritisieren zudem, dass die Zentralbank in Frankfurt ihr Pulver nun fahrlässig verschossen habe. Sie gäbe damit die Optionen aus der Hand, sollte die Inflation hartnäckig hoch bleiben und später ein weiterer Zinsschritt notwendig sein. Dies zeigt, wie heikel die Entscheide der Notenbanken sind und interpretiert werden. Egal ob früher oder später, eine Zinserhöhung kann von den Märkten auch negativ aufgefasst werden. 

Dieses Schicksal könnte dabei auch der SNB und dem Schweizer Franken drohen. Erhöht sie den Leitzins jetzt, so wäre die Schlussfolgerung der Märkte, der Zinspeak ist in der Schweiz erreicht. Entsprechend würden Schweizer Franken verkauft, weil von der Nationalbank keine weitere Unterstützung kommt.

Wird der Leitzins später erhöht, würde die Spannung am Markt zwar aufrecht erhalten werden. Andererseits könnte dies aber als Schwäche der SNB eingestuft werden, was ebenso zu einem tieferen Frankenkurs führen könnte. Bekanntlich nehmen Devisenmärkte Entwicklungen voraus, und so erstaunt es nicht, dass neben dem US-Dollar auch die anderen Währungen mit verhältnismässig hohen Zinssätzen wie der australische, kanadische oder neuseeländische Dollar in den letzten zwei Wochen gegenüber der hiesigen Währung wieder fester tendieren. 

Zinspeak ist oder wird bald erreicht sein

Die SNB hat in diesem Jahr vieles richtig gemacht, die Teuerung im Vergleich zu anderen Ländern sehr erfolgreich bekämpft. Die Ökonomen, welche an der nächsten Sitzung eine Zinserhöhung erwarten, gehen denn auch davon aus, dass damit der Zinspeak in der Schweiz erreicht ist. Nadia Gharbi, Ökonomin von Pictet, meint, dass «wie auch immer die SNB entscheidet, wird sie eine Rechtfertigung dafür finden, danach die Zinssätze für einige Zeit unverändert zu belassen.» 

Ein besonderes Interesse wird am kommenden Donnerstag wie immer dem Redetext von Jordan zukommen. Das eine ist der Entscheid über den Zinssatz, das andere sind die Begründung des Entscheids und der zum Teil sehr feinen Nuancen, welche den Beschluss untermauern.

Nebst der Einschätzung zur Konjunktur und deren Gewichtung gegenüber der starken Fokussierung auf die Inflationsbekämpfung gilt ein Augenmerk auch den Devisenverkäufen. So rechnet die Zürcher Kantonalbank (ZKB) nicht mehr mit grösseren Devisenverkäufen. Die Bewertung des Frankens ist gestiegen, die Inflationsrisiken haben abgenommen.

In der Kommunikation könnte die SNB dies mit einem Verweis auf eine symmetrische Interventionspolitik unterstreichen und nicht wie bis anhin «Devisenverkäufe im Vordergrund» erwähnen, betonen die Ökonomen der ZKB.

Thomas Daniel Marti
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