Nachdem der Goldpreis am 4. Mai sein bisheriges nominales Rekordhoch von rund 2070 USD pro Feinunze erreicht hatte, korrigierte er bis zum Montag auf einen aktuellen Preis von 1961 Dollar. Das zwischenzeitliche Tief am 15. Juni lag bei 1930 Dollar. Dieser Rückgang fiel mit der Neubewertung des Zinspfads der Fed durch die Finanzmärkte und der Lösung der Frage der US-Schuldenobergrenze zusammen. Dabei haben höhere US-Zinsen und ein stärkerer Dollar zu einer schwächeren Investitionsnachfrage bei dem gelben Metall geführt.

Bislang verlief der Nachfragerückgang jedoch recht geordnet, erläutern die Studienautoren der Pictet das globale Marktumfeld. "Darüber hinaus war der grösste Teil des Rückgangs auf Derivate zurückzuführen, die naturgemäss von kurzfristig orientierten Anlegern genutzt werden." Im Gegensatz dazu hielt die längerfristige ETF-Nachfrage nach Gold an.

Mit Blick auf die Zukunft deuten die schwächere Wirtschaftsaktivität in den USA und der nachlassende Inflationsdruck darauf hin, dass die Fed im Jahr 2024 eine lockerere Geldpolitik verfolgen und die Zinsen reduzieren könnte. Das dürfte den Druck auf die US-Zinsen und den Dollar erhöhen. "Darüber hinaus könnte sich die Investitionsnachfrage weiterhin als robust erweisen, sollten die wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten weiterhin bestehen", so Pictet.

Goldverkäufe der türkischen Zentralbank belasteten den Markt

Allerdings hat sich die gemeldete Nachfrage der Zentralbanken seit März verschlechtert. Insbesondere hat sich die türkische Zentralbank vom gemeldeten Hauptkäufer von Gold im vergangenen Jahr (148 Tonnen) in jüngster Zeit zum Nettoverkäufer entwickelt und zwischen März und Mai potenziell bis zu 160 Tonnen Gold abgestossen, betonen die Strategen der Genfer Privatbank. "Solche Verkäufe wurden offenbar getätigt, um die Inlandsnachfrage zu befriedigen, nachdem nach dem Erdbeben im Süden der Türkei im Februar ein teilweises Goldimportverbot verhängt worden war." Infolgedessen könnten sich diese Nettogoldverkäufe als vorübergehend erweisen - tatsächlich deuten Teildaten vom Juni darauf hin, dass die Verkäufe in den letzten Wochen nachgelassen haben - und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die türkische Zentralbank definitiv ihren Appetit auf Goldreserven verloren hat. Die verstärkten Verkäufe von Gold produzierenden Ländern, die von den hohen Preisen profitieren wollten, haben auch zu einer „Goldschwemme“ auf den Goldbarrenmärkten geführt.

Allgemein bleibt das Interesse der Zentralbanken nach Gold weltweit hoch. Nach Angaben des World Gold Council betrug die offizielle Nachfrage (d. h. von Zentralbanken und andere Institutionen) nach Gold im ersten Quartal 228 Tonnen. Diese Zahl ist zwar niedriger als in den beiden vorangegangenen Quartalen, deutet aber immer noch auf eine jährliche Nachfrage von fast 1.000 Tonnen hin und liegt damit deutlich über dem Jahresdurchschnitt von rund 500 Tonnen vor 2022, erläutern die Strategen von Pictet.

Kurzfristig könnte die Investitionsnachfrage aufgrund der steigenden Opportunitätskosten für Gold gedämpft bleiben. Angesichts der begrenzten Anzeichen eines deutlichen Rückgangs der zugrunde liegenden Inflation in vielen grossen Volkswirtschaften müssen die Zentralbanken möglicherweise an ihrer Politik festhalten. Die Fed verfolgt seit einiger Zeit einen aggressiven geldpolitischen Kurs, wie die aktuellen Markterwartungen für eine weitere Zinserhöhung der Notenbank in diesem Jahr zeigen.

Opportunitätskosten könnten 2024 sinken

Ohne einen deutlichen Rückgang der Wirtschaftsaktivität oder der weiter erhöhten Inflationsraten könnten die hohen US-Zinsen weiterhin eine Belastung für den Goldpreis darstellen. "Allerdings geht unser zentrales Makroszenario von einer Abschwächung der US-Wirtschaftsaktivität im zweiten Halbjahr aus. Darüber hinaus dürfte jede weitere Zinserhöhung der Fed im zweiten Halbjahr die Realwirtschaft noch stärker belasten und letztendlich zu einem noch stärkeren Rückgang der Leitzinsen führen, als wenn die Fed im zweiten Halbjahr unverändert bleibt", erläutert Pictet weiter.

Insgesamt geht die Genfer Privat weiterhin davon aus, dass die Opportunitätskosten der Goldhaltung im Jahr 2024 sinken dürften. Dies sollte dazu beitragen, den Goldpreis anzuheben. Parallel dazu könnten nach den gegen Russland ergriffenen Massnahmen Befürchtungen, dass der Westen erneut Sanktionen gegen seine Rivalen verhängen könnte, eine starke offizielle Nachfrage nach Gold befeuern. Mit anderen Worten: Ein Rückgang der Investitionsnachfrage nach Gold aufgrund der Opportunitätskosten könnte teilweise durch eine starke Nachfrage nach Schmuck und von offizieller Seite ausgeglichen werden.

Die Konklusion für Pictet ist, dass "längerfristig geopolitische Spannungen, eine weniger aggressive Fed und ein schwächerer Dollar auf potenzielle Gewinne für Gold hindeuten. Unsere Drei-Monats-Prognose für den Goldpreis liegt bei 2000 USD und unsere 12-Monats-Prognose bei 2100 USD."

(cash)