Der Goldpreis ist Anfang Mai deutlich über 2'000 Dollar gestiegen. Seither ist die Entwicklung leicht rückläufig, wodurch die Kursrendite in Dollar seit Jahresbeginn auf knapp 6 Prozent zurückgegangen ist. Für den Dollar-Investor war ein Gold-Engagement deutlich besser als für einen Franken-Investor, aber auch für letzteren schlussendlich leicht positiv. 

Der Goldpreis hatte in den ersten Monaten des Jahres vor allem vom schwächeren Dollar profitiert. Da Gold in der Regel in Dollar notiert und gehandelt wird, macht ein schwacher Dollar das Edelmetall für Käufer ausserhalb der Dollar-Region billiger. Das hat zur Folge, dass die Nachfrage nach Gold steigt.

Seit Mitte Juli zeigt der Greenback aber wieder zunehmend Stärke. Als Konsequenz hat der US-Dollar Index, der den Wert des Dollars mittels eines Währungskorbs aus sechs Währungen vergleicht, seit Jahresbeginn knapp 2 Prozent an Wert gewonnen. Die Opportunitätskosten der Goldhaltung, sprich die Zinsen, die man beispielsweise auf inflationsgeschützte Anleihen erzielen kann, sind im historischen Kontext hoch und belasten den Goldpreis zusätzlich.

Kurzfristig überwiegen wohl Abwärtsrisiken

«Mit dem stärksten Dollarindex seit einem halben Jahr, den Renditen auf inflationsgeschützten US-Staatsanleihen so hoch wie 2009 nicht mehr und anhaltenden Abflüssen aus den Gold-ETF müsste der Goldpreis eigentlich ein Stockwerk tiefer notieren», sagt Elias Hafner, Investment-Stratege bei der ZKB, gegenüber cash.ch. Dennoch halte sich Gold vergleichsweise hoch und nach wie vor in engen Bandbreiten. 

Die Goldkäufe der Zentralbanken, die anhaltende Inflationsunsicherheit und der eingetrübte Konjunkturausblick helfen die Resilienz des Goldpreises zu erklären. So gilt Gold als «Rezessionshedge», als sicherer Hafen und als Krisenwährung. Trotz relativierender Argumente erscheint Gold für Hafner angesichts der hohen Opportunitätskosten anspruchsvoll bewertet und kurzfristig überwiegen die Abwärtsrisiken.

Im Hintergrund ist aber zu beobachten, dass insbesondere seit Einführung der Sanktionen der G7 gegen Russland (SWIFT) die physische Nachfrage vieler Zentralbanken und Investoren aus Asien - insbesondere China - massiv zugenommen hat. Zentralbanken in Schwellenländern wollen ihre Devisenbestände zunehmend diversifizieren. In der Goldbörse Shanghai bezahlte man letzte Woche zeitweise eine Prämie von 6 Prozent zum Goldpreis in den westlichen Börsen wie London oder Chicago. Dies hat auch mit Interventionen der chinesischen Zentralbank zu tun, die gegen die schwache chinesische Währung interveniert, kann die Differenz aber nur teilweise erklären, so Hans Peter Schmidlin, Rohstoff-Analyst und Investment Advisor der Basler Kantonalbank und der Bank Cler

Carsten Menke, Edelmetallexperte bei der Bank Julius Bär, sieht die Resilienz des Goldpreises auf wackligen Füssen: Nämlich der Erwartung, dass eine Rezession in den USA zu einer raschen Kehrtwende in der US-Geldpolitik führt. «Diese Gruppe scheint zwar immer kleiner zu werden, aber sie verschaffen sich im Goldmarkt weiterhin Gehör.» Demgegenüber stehen diejenigen, deren Konjunkturausblick konstruktiver ist und die von keiner Rezession in den USA ausgehen. Menke rechnet deswegen auch vorerst nicht mit Zinssenkungen seitens der US-Notenbank Fed.

«Falkenhafte» Kommentare könnten den Goldpreis belasten

Und die Geldpolitik der Fed hat wesentlichen Einfluss auf die US-Realzinsen und den Aussenwert des Dollars, zwei der wichtigsten zyklischen Treiber der Goldpreises. Der Realzins wird üblicherweise definiert, indem von der Rendite der US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit die Inflationsrate abgezogen wird. Sinken sowohl die US-Staatspapiere aufgrund der absehbaren Konjunktureintrübung als auch die Fed-Leitzinsen und bleibt die Inflation relativ hartnäckig, sinkt der Realzins, was für den Goldpreis positiv ist.

Es ist daher falsch, davon auszugehen, dass höhere Zinsen prinzipiell negativ für die Goldpreis-Entwicklung sind. Es gilt dabei zu unterscheiden, ob es zu höheren Zinsen kommt, weil ein starkes Wirtschaftswachstum abgebremst werden soll oder ob die höheren Zinsen der Inflations-Bekämpfung dienen. Letzteres war auch in den 70ger Jahren der Fall, als Gold den stärksten Bullenmarkt der Geschichte hatte.

«Eine weitere Zinserhöhung in den USA ist nicht gänzlich auszuschliessen, die Hürden dafür liegen aber hoch», sagt der Investmentstratege der ZKB vor der Fed-Entscheidung am Mittwoch. Aufgrund der anhaltend starken US-Daten wird das Fed die Zinspause aber sicherlich mit «falkenhaften» Kommentaren begleiten. Dies dürfte auf kurze Frist den Dollar und die Renditen stützen.

«Seit Anfang 2022 ist zu beobachten, dass der Goldpreis jedes Mal sehr enttäuscht reagiert, wenn die FED noch kein definitives Hoch indiziert. Dies dürfte auch diese Woche wieder der Fall sein», so Schmidlin. Sollte Fed-Präsident Powell also noch kein Ende der Zinserhöhungen andeuten, dürfte daher zumindest kurzfristiger Druck auf den Goldpreis aufkommen.

Kommende Dollarschwäche?

«Für den Goldmarkt ist es wenig relevant, ob die Fed die Zinsen unverändert lässt oder noch einmal erhöht. Viel wichtiger ist die Frage, wann sie beginnen wird, die Zinsen zu senken», argumentiert Menke. Hier sieht er keinen Bedarf, weil die US-Wirtschaft sehr gut in der Lage zu sein scheint, mit den hohen Zinsen umzugehen. Damit dürfte es auch zu keiner markanten Abschwächung des Dollars kommen.

Und tatsächlich steuert die US-Notenbank Fed im Kampf gegen die Inflation vermutlich auf eine Zinspause und sogar Senkungen zu. An den Finanzmärkten wird weitgehend erwartet, dass die Währungshüter am Donnerstag den Schlüsselsatz in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent belassen. Dem Fed-Watch-Tool der CME Group zufolge wird die US-Notenbank die Zinsen bis im Juni 2024 auf diesem Niveau belassen und danach bis Ende Jahr auf eine Spannbreite von 4,5 bis 4,75 Prozent zurücknehmen.

«Auf Jahressicht gehen wir bei den grössten Notenbanken von Leitzinssenkungen aus, was das allgemeine Zins- und Renditeniveau wieder etwas reduzieren wird», sagt Hafner. Gleichzeitig sollte der Dollar wieder etwas von seinem Zinsvorsprung einbüssen, was auf der nach wie vor hoch bewerteten US-Währung lasten werde. Davon dürfte der Goldpreis wiederum profitieren.

Längerfristig besteht die Möglichkeit, dass sich der Zinszyklus tatsächlich am oberen Ende befindet, die Bekämpfung der Inflation aber etwas länger dauert. Beide Möglichkeiten sind positiv für die Goldentwicklung. Positiv ist für Schmidlin zudem das hohe physische Interesse seitens der Zentralbanken und insbesondere China. Positiv für den Goldpreis könne auch die zunehmende Stärke der BRICS+-Staaten sein. Diese kontrollieren rund 80 Prozent des weltweiten Ölmarktes und können über diesen die Inflation hoch halten.

Goldpreis mit Bankenkrise-Prämie

Carsten Manke von der Bank Julius Bär bleibt beim Gold weiter vorsichtig: Per Ende Jahr rechnet er mit einem tieferen Goldpreis von 1850 Dollar per Unze, in zwölf Monaten mit 1725 Dollar. Neben dem Ausbleiben einer massiven und schnellen Zinswende warnt der Experte, dass «der Goldpreis immer noch eine Prämie in Bezug auf den US-Bankenstress vom Frühjahr zu reflektieren scheint, die noch nicht wieder verschwunden ist, obwohl es keine Anzeichen systemischen Stresses im Bankensystem gibt.»

Um Welten optimistischer ist Giovanni Staunovo, Rohstoffanalyst bei der UBS: «Wir erwarten, dass im nächsten Jahr der Goldpreis auf einen neuen Rekordwert ansteigt, da wir davon ausgehen, dass die Fed im nächsten Jahr die Zinsen senken wird und sich der Dollar abschwächt.» Die optimistische Sicht am Markt wird auch dadurch gestützt, dass zur Zeit offene Positionen im US-Gold-Futurehandel überdurchschnittlich tief sind. Tiefe Zahlen wiesen in der Vergangenheit oft auf Tiefstmarken beim Goldpreis hin. Mit einem steigenden Goldpreis steigt auch das Interesse an Long-Positionen im Gold wieder.

ManuelBoeck
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