Die gute Nachricht für die Richemont-Aktionäre zuerst: Dank einer Wachstumsbeschleunigung im Schlussquartal übertrifft der Luxusgüterkonzern aus Genf die Umsatzerwartungen der Analysten. Auf das Gesamtjahr 2018/19 betrachtet steht den erwarteten 7 Prozent ein organisches Wachstum von 8 Prozent gegenüber.
Die schlechte Nachricht allerdings: Die Bruttomarge verringert sich im Jahresvergleich deutlicher als befürchtet. Deshalb weiss das vorliegende Jahresergebnis auch beim operativen Gewinn sowie beim Reingewinn nicht zu überzeugen. Das überrascht, war die Vergleichsbasis aus dem Vorjahr diesbezüglich doch nicht sehr hoch.
Im frühen Handel noch unter Verkaufsdruck, erholt sich die Richemont-Aktie zur Stunde um 1,2 Prozent auf 71,90 Franken. Angeblich weckt die Analystenkonferenz Hoffnungen, dass die Dinge in Zukunft besser werden.
Enttäuschende Gewinnentwicklung und mässige Umsatzqualität
Analysten räumen der verhaltenen Gewinnentwicklung ein höheres Gewicht als dem soliden organischen Umsatzwachstum ein. Enttäuscht zeigt man sich nicht nur vom höher als erwartet ausgefallenen Verlust im Online-Geschäft, sondern auch vom schwachen Abschneiden bei den Produktkategorien ausserhalb des Uhren- und Schmuckgeschäfts. Richemont habe diesbezüglich schon im zurückliegenden dritten Quartal enttäuscht, was den Luxusgüterkonzern im übertragenen Sinn zum "Wiederholungstäter" mache, so lautet der Tenor.
Der Zürcher Kantonalbank zufolge erfüllt der Umsatz die Erwartungen zwar, weiss jedoch qualitativ nicht zu überzeugen. Damit spielt die Zürcher Bank auf die kräftige Belebung des Grosshandelsgeschäfts im Schlussquartal an. Die Richemont-Aktie wird bei der Zürcher Kantonalbank weiterhin nur mit "Marktgewichten" eingestuft.
Wie sich einem Kommentar der Bank Vontobel entnehmen lässt, bewegt sich das organische Umsatzwachstum im Rahmen der bankeigenen Erwartungen. Wie der Autor weiter schreibt, erweist sich einmal mehr das Schmuckgeschäft als Wachstums- und Margentreiber. Auch er zeigt sich von den hohen Verlusten im Online-Geschäft sowie im Geschäft mit übrigen Produktkategorien enttäuscht. Obwohl der Autor seine Schätzungen leicht nach unten korrigieren will, empfiehlt er die Aktie wie bis anhin mit einem Kursziel von 90 Franken zum Kauf.
Richemont gut für den Second-Hand-Verkauf von Uhren gerüstet
Ähnlich äussert sich der für Kepler Cheuvreux tätige Berufskollege, wobei er bei Richemont schon bald mit geringeren Einmaleinflüssen rechnet. Auch der Kepler-Analyst stuft die Aktie des Genfer Unternehmens mit "Buy" und einem Kursziel von 90 Franken ein.
Erst vor wenigen Tagen warnte die Credit Suisse in einer Branchenstudie vor den Gefahren, welche für die europäischen Luxusgüterhersteller vom Second-Hand-Verkauf von Uhren ausgehen. Den Graumarkt ausgeklammert, schätzt die Grossbank das Marktvolumen auf 3 Milliarden Euro. Das wiederum entspräche rund 10 Prozent des weltweiten Verkaufsvolumens bei Luxusuhren.
Neben dem Kannibalisierungseffekt bei neuen Luxusuhren ortet die Credit Suisse auch bei der besseren Transparenz zur Beurteilung der zukünftigen Werthaltigkeit der jeweiligen Modelle. Der Grossbank zufolge werden nur gerade die Modelle von Rolex im Second-Hand-Markt mit einen Preisaufschlag gehandelt. Die meisten Luxusuhren anderer Anbieter, Swatch und Richemont miteingeschlossen, weisen hingegen durchschnittlich einen Abschlag von einem Drittel zum ursprünglichen Verkaufspreis auf.
Aufgrund der Übernahme von Watchfinder halten Branchenkenner Richemont für besser gegen diese Gefahren gerüstet als andere Anbieter.