Sergio Ermottis Name war bereits am vorletzten Wochenende, als die Übernahme verhandelt wurde, von gewissen Seiten ins Spiel gebracht worden. Offensichtlich brauchte es dann aber noch ein paar Tage, um erst seinen Rücktritt als Präsident der Rückversicherers Swiss Re zu organisieren, bevor er als neuer Super-CEO vorgestellt werden konnte.
Nun überschlagen sich Branchenbeobachter mit Lobeshymnen: "Ohne Zweifel die richtige Person für diesen Job", "starker und adäquater Track record für die Restrukturierung", "der Tom Brady der Schweizer Bankenbranche", "ein guter Schritt".
Der Tessiner, der im Mai 63 wird, half der UBS bereits einmal aus einer schwierigen Lage: 2011 bringt ein junger Investmentbanker namens Kweku Adoboli das Institut mit illegalen Handelsgeschäften in die Schlagzeilen und beschert ihm einen Verlust von zwei Milliarden Franken. Die Kontrollmechanismen haben versagt und der damalige UBS-Chef Oswald Grübel tritt zurück.
Sein Nachfolger wird Europa-Chef Ermotti. Nur wenige Monate zuvor hatte er bei dem Konzern aus Zürich angeheuert, nachdem er im Rennen um den Spitzenjob bei der italienischen UniCredit leer ausgegangen war.
Zunächst eher zögerlicher UBS-Umbau
Erst zögerlich, zwei Jahre nach dem Amtsantritt aber mit grosser Konsequenz, begann der gelernte Investmentbanker Ermotti mit dem Umbau der UBS hin zu einem führenden Vermögensverwalter. Viele Bereiche in der Investmentbank, die der UBS früher hohe Gewinne, zum Teil aber auch riesige Verluste bescherten, wurden abgebaut oder verkauft. Ermotti setzte die kurz vor seinem Wechsel an die Konzernspitze beschlossenen drastischen Einschnitte im Investmentbanking um, 10'000 Arbeitsplätze gehen verloren.
Unter Ermotti und dem ehemaligen Bundesbankchef Axel Weber, der wegen des Skandals früher als geplant als neuer Verwaltungsratspräsident antrat, gab die Bank das riskante Kapitalmarktgeschäft auf und konzentrierte sich auf den Handel mit Aktien und Devisen für Kunden und die Beratung von Unternehmen. Die Vermögensverwaltung wurde wieder zur Paradedisziplin erklärt.
Ermotti war mit seiner Strategie ein sogenannter First Mover in der Branche: Die UBS war die erste grosse Bank, die diesen radikalen Schritt wagte und so konsequent auch umsetzte. Die Credit Suisse, welche die Finanzkrise damals relativ gut überstanden hatte, verzichtete jedenfalls auf diesen Schritt. Dies dürfte mit ein Grund sein, dass sie nicht überlebt hat.
Heute ist die UBS deshalb stabiler und risikoärmer unterwegs. 2022 erzielte die UBS den höchsten Gewinn seit 16 Jahren.
Auch herbe Rückschlage
Die Ernte aus der frühen Transformation - zumindest was den Aktienkurs betrifft - konnte Ermotti allerdings nie einfahren. Das Umfeld nach der Finanzkrise war nämlich plötzlich ein ganz anderes. Das Bankgeheimnis, das den Schweizer Banken über Jahrzehnte hinweg gutes Geld beschert hatte, machte schon bald dem sogenannten automatischen Informationsaustausch Platz und europäische Kunden zogen ihr Geld zum Teil ab.
Daneben machten die Notenbanken mit ihrer weltweit sehr expansiven Geldpolitik und den extrem tiefen Zinsen den Geschäftsbanken das Leben schwer, weil die Margen auf dem verwalteten Geld dadurch permanent unter Druck gerieten. Zudem brachte die Digitalisierung mit der damals neu entstehenden Fintech-Branche eine Konkurrenz für die herkömmlichen Banken ins Spiel, die diese zu Milliarden-Investitionen zwang.
All dies hatte zur Folge, dass die UBS nie ganz so rentabel wurde, wie Ermotti sich das vorgestellt hatte, und sich der Aktienkurs der UBS nicht immer in die von ihm gewünschte Richtung entwickelte. Ermotti gehörte in den Jahren bei der UBS indes immer zu den bestbezahlten Schweizer CEOs und verdiente jeweils einen zweistelligen Millionenbetrag. Insgesamt hatte er über die neun Jahre seiner ersten Amtszeit weit mehr als 100 Millionen Franken verdient.
In die Zeit Ermottis, der als Junge Fussball- oder Skiprofi werden wollte, fallen auch herbe Rückschläge. Die UBS war jahrelang in Rechtsstreitigkeiten wegen Steuerhinterziehung verwickelt. Und einer der grössten schwelt immer noch: In Frankreich wurde das grösste Schweizer Geldhaus 2021 in einem seit Jahren andauernden Verfahren der illegalen Geldgeschäfte und der Geldwäsche von Erträgen aus Steuerbetrug schuldig gesprochen und zu einer Zahlung von 1,8 Milliarden Euro verurteilt. Dagegen ging die UBS allerdings in Berufung.
Insgesamt war Ermotti in der Schweiz zwar nicht omnipräsent, aber er gehört(e) aufgrund seiner Position automatisch zur hiesigen Prominenz. Er äusserte sich zwischendurch auch politisch und stellte gewisse Forderungen, was angesichts der staatlichen Rettung der Bank 2008 nicht überall auf Gegenliebe stiess. In Anspielung auf sein Äusseres - er tritt stets mit gut sitzender Frisur und adretter Kleidung auf - wurde er gelegentlich auch "George Clooney vom Paradeplatz" genannt, wie AWP schreibt.
Neue Aufgabe ab 5. April
Am 5. April wird Ermotti seinen Nachfolger an der UBS-Konzernspitze, Ralph Hamers, nach nur zweieinhalb Jahren wieder ablösen. Der UBS-Verwaltungsrat hatte offenbar Zweifel, ob der Retail-Banker, der sich vor allem mit der Digitalisierung von Bankgeschäften einen Namen gemacht hat, die Herkulesaufgabe der Credit-Suisse-Übernahme stemmen kann.
Ermotti erklärte, so lange bleiben zu wollen, wie er erwünscht sei. "Es handelt sich um eine dringende und anspruchsvolle Aufgabe." Seine aktuelle Tätigkeit als Verwaltungsratspräsident des Schweizer Rückversicherers Swiss Re wird er nach einer Übergangszeit abgeben.
Zeit für seine Hobbys wird der nach eigenen Bekunden "faule Leser" künftig wohl weniger haben. Ermotti sagt, dass er am liebsten auf den Pisten von St. Moritz Ski fährt und sich denselben Film immer wieder ansehen kann. Als seinen Lieblingsfilm nennt er "Der Clou".
(AWP/Reuters)