Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hält es noch nicht einmal für ausgemacht, ob die EZB nach ihrer Serie von Zinsanhebungen bereits auf dem Zinsgipfel angelangt ist, wie Nagel am Freitag auf dem European Banking Congress in Frankfurt sagte. «Haben wir den Höhepunkt der Zinsen bereits gesehen? Das ist noch nicht klar», merkte er an. Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann sagte unterdessen Journalisten in Wien, eine erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits im zweiten Quartal sei zu früh.

Die EZB hatte im Oktober nach zehn Zinserhöhungen in Folge angesichts der schwächelnden Konjunktur und deutlich sinkenden Inflationszahlen eine Zinspause beschlossen. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, wurde bei 4,00 Prozent belassen - das höchste Niveau seit dem Beginn der Währungsunion 1999. Noch im Juni 2022 hatte der Satz bei minus 0,50 Prozent gelegen. Am Finanzmarkt wird bereits mit ersten Zinssenkungen in der ersten Hälfte 2024 gerechnet.

Eine Inflation im Oktober von 2,9 Prozent und eine Kernrate von 4,2 Prozent, in der die schwankungsanfälligen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak ausgeklammert sind, seien weiterhin zu hoch, sagte Nagel auf dem Kongress. Die EZB strebt eine Teuerung von zwei Prozent als Optimalwert für die Wirtschaft im Euroraum an. Derzeit sei es zu früh, einen Sieg über die Inflation zu verkünden. «Auf jeden Fall dürfen wir die Geldpolitik nicht lockern, bis wir absolut sicher sind, dass wir dauerhaft zur Preisstabilität zurückkehren.» Die Schlüsselzinsen der EZB seien inzwischen auf Niveaus, die einen erheblichen Beitrag zur Erreichung des Inflationsziels leisten würden. «Vorausgesetzt, sie werden für einen ausreichenden Zeitraum auf diesen Niveaus gehalten», fügte er hinzu.

«Wir sind auch bereit, noch einmal wieder auf die Bremse zu steigen»

Aus Sicht von Nagels Ratskollege, Österreichs Notenbankchef Holzmann, hält die EZB die Tür für erneute Zinsanhebungen immer noch ein Stück weit offen. «Wir versuchen zu kommunizieren: bitte nicht glauben, dass das schon das Ende der Fahnenstange ist», merkte er an. Falls es notwendig sei, könnten die Währungshüter erneut einen Schritt nach oben beschliessen. «Wir sind auch bereit, noch einmal wieder auf die Bremse zu steigen.» Befragt, ob er eine erste Zinssenkung bereits im zweiten Quartal 2024 für möglich halte, sagte er: «Das wäre schon etwas früh.»

Unterdessen argumentierte Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch auf der Konferenz in Frankfurt, die Inflation sei sehr lange sehr hoch gewesen, daher sei es ein Risiko für die EZB, womöglich nicht hartnäckig genug zu sein. «Wir wollen sicher sein, dass wir auf zwei Prozent zugehen, bevor wir beginnen zu senken.» Es gebe zwar immer die Möglichkeit, dass die Notenbank zu spät handle. «Wir wissen, dass das keine perfekte Wissenschaft ist.» Am Ende des Tages könne sie aber rasch korrigierend einschreiten. Die sozialen Kosten seien nicht übermässig hoch, da der Arbeitsmarkt derzeit robust sei.

Wunsch sprach sich zudem für eine Diskussion darüber aus, die Anleihenkäufe im Rahmen des Pandemie-Programms PEPP vorzeitig zu beenden. Mit dem billionenschweren Kaufprogramm PEPP wollten die Währungshüter die Finanzierungsbedingungen für Staaten, Unternehmen und Haushalte während der Corona-Pandemie günstig halten. Doch diese ist inzwischen abgeklungen. Auslaufende Anleihen aus dem PEPP-Programm werden jedoch immer noch vollumfänglich ersetzt. Bislang sollen diese Reinvestitionen bis mindestens Ende 2024 fortgesetzt werden.

(Reuters)