Die Hüter des Euro um EZB-Präsidentin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag auf ihrem ersten geldpolitischen Treffen 2024, den Schlüsselzins bei 4,50 Prozent zu belassen. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, bleibt weiter auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent. «Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden», erklärten die Währungshüter. Hinweise darauf, wann mit der ersten Zinssenkung zu rechnen sei, gaben sie in ihrer Mitteilung nicht.

In ersten Reaktionen wurde die Zinsentscheidung als erwartbar gewertet. «Im Laufe des Jahres werden wir Leitzinssenkungen sehen, doch Zeitpunkt und Ausmass werden meines Erachtens von den Märkten nicht richtig eingeschätzt», erklärte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). «Die Zinswende wird später kommen und geringer ausfallen als gegenwärtig von den Märkten eingepreist,» fügte er hinzu. Aus Sicht von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sollte sich die EZB von aggressiven Zinssenkungserwartungen der Finanzmärkte nicht unter Druck setzen lassen. Solange die Löhne so stark stiegen wie zuletzt, sei das Inflationsproblem noch nicht gelöst. «Die 70er Jahre zeigen, wie gefährlich es ist, wenn eine Zentralbank den Sieg über die Inflation zu früh erklärt,» merkte er an.

Die EZB teilte mit, sei werde bei der Festlegung der richtigen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus auch künftig einen datengestützten Ansatz verfolgen. Die Euro-Wächter hatten im Kampf gegen die hohe Inflation seit Sommer 2022 zehnmal in Serie die Zinsen angehoben, zuletzt geschah dies im September. Seitdem blieb sie auf dem erreichten Zinsplateau, da die Inflation inzwischen deutlich nachgelassen hat. Lagarde hatte in Davos gesagt, die Notenbank befinde sich mittlerweile auf einem guten Weg, die Inflation in der Euro-Zone auf die angesteuerte Zielmarke von 2,0 Prozent zurückzudrängen. Es sei aber noch zu früh, den Sieg zu erklären.

Konjunktursorgen

Die Inflation lag im Dezember bei 2,9 Prozent - noch im Herbst 2022 war die Teuerung zeitweise auf über zehn Prozent geklettert. Das Inflationsziel der EZB rückt damit wieder näher. Der Beschluss einer erneuten Zinspause dürfte aber auch davon beeinflusst worden sein, dass die Konjunktur im Euroraum derzeit eine Schwächephase durchläuft. Deutschland, die grösste Volkswirtschaft in der Euro-Zone, steckt laut dem Präsidenten des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, in der Rezession fest.

Die EZB will aber tunlichst vermeiden, dass die Konjunktur im Euroraum komplett abgewürgt wird. Laut EZB-Vizepräsident Luis de Guindos könnte die Euro-Zone vor der Jahreswende in eine technische Rezession abgerutscht sein, wie er unlängst sagte. Im Sommerquartal war das Bruttoinlandsprodukt bereits um 0,1 Prozent geschrumpft. Wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge zurückgeht, sprechen Volkswirte von einer technischen Rezession

Auch aufgrund dieser Sorgen wurde zuletzt an den Börsen auf eine rasche Zinssenkung gesetzt. Die Wahrscheinlichkeit eines ersten Schritts nach unten im April wurde am Vormittag gemessen an den Kursen noch bei über 60 Prozent taxiert. Vor wenigen Wochen lag die Wahrscheinlichkeit sogar noch höher. Doch mehrere Währungshüter, darunter auch Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, hatten sich in Reden, Interviews und Diskussionsrunden gegen die Erwartung schneller Schritte nach unten gewandt. Lagarde wies unter anderem darauf hin, dass der EZB Daten zu den diesjährigen Tarifabschlüssen in den Euro-Ländern womöglich erst im späten Frühjahr vorliegen würden. Diese gelten als wichtiges Barometer für die weitere Entwicklung der Inflation.

(Reuters)