Die Währungshüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde entschieden am Donnerstag auf ihrer Sitzung in Frankfurt, den Leitzins bei 4,50 Prozent zu belassen. Der am Finanzmarkt massgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Horten überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, bleibt weiter auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent. «Seit der letzten Sitzung des EZB-Rats im Januar ist die Inflation weiter zurückgegangen,» erklärten die Euro-Wächter. Die Finanzierungsbedingungen seien restriktiv, und die bisherigen Zinserhöhungen dämpften weiterhin die Nachfrage, was zum Rückgang der Inflation beitrage.

«Insgesamt ist die Inflationsbekämpfung im Euroraum auf einem guten Weg,» kommentierte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, die Beschlüsse. Dieser Weg sei jedoch noch nicht beendet. Die EZB könne sich nicht mit einer Beinahe-Erreichung ihrer Inflationszielmarke von zwei Prozent zufriedengeben. «Zinssenkungen ab Juni bleiben weiterhin wahrscheinlich, aber das Tempo könnte langsamer und vorsichtiger sein, als sich dies viele Marktteilnehmer wünschen.» ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann merkte an: «Mit dem überraschend deutlichen Rückgang der Euro-Inflation und den schlechten Konjunkturdaten wächst die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung in der Juni-Sitzung.» Niedrigere Zinsen würden nicht nur den Finanzministern bei der Finanzierung ihrer umfangreichen Anleiheemissionen helfen. «Auch für die Zentralbanken selbst schaffen niedrige Zinsen Entlastung», fügte er hinzu.

Die Notenbank sei entschlossen, für eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zur Zielmarke zu sorgen, erklärte die EZB. Die EZB werde auch künftig dafür sorgen, dass die Zinsen so lange wie nötig auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden. Dabei werde die Euro-Notenbank auch weiter datengestützt vorgehen. Nach einer Serie von zehn Zinsanhebungen, die im Sommer 2022 startete, hat die EZB nunmehr in den jüngsten vier geldpolitischen Sitzungen die Zinsen konstant gehalten. Die Inflation in der Euro-Zone ist inzwischen deutlich abgeebbt und lag zuletzt im Februar noch bei 2,6 Prozent, nach 2,8 Prozent im Januar und 2,9 Prozent im Dezember. Das ist nicht mehr weit entfernt von der EZB-Zielmarke. Noch im Herbst 2022 hatte die Teuerungsrate in der 20-Länder-Gemeinschaft zeitweise bei über zehn Prozent gelegen. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte Ende Januar davon gesprochen, dass das gierige Biest Inflation mittlerweile gezähmt sei.

Die jüngsten Prognosen der EZB-Ökonomen, die der Euro-Notenbank zur Zinssitzung vorlagen, gehen inzwischen davon aus, dass im laufenden Jahr die Inflation nur noch bei 2,3 Prozent liegen wird. Noch im Dezember hatten sie 2,7 Prozent prognostiziert. Für 2025 erwarten sie nunmehr eine Inflation von 2,0 Prozent wie von der EZB angestrebt. Für 2026 rechnen sie mit 1,9 Prozent. Die EZB-Volkswirte setzten auch ihre Wachstumsprognosen für den Euroraum in diesem Jahr leicht nach unten.

Lohndaten im Fokus

Lagarde hatte erst kürzlich gesagt, die Auswirkungen der vergangenen Schocks, die die Teuerung hochgetrieben hätten, würden verblassen. Und die straffen Finanzierungsbedingungen trügen dazu bei, die Teuerung zu drücken. Allerdings verwies die EZB-Chefin auch auf einen anhaltend starken Lohndruck. Noch ausstehende Daten zu den diesjährigen Tarifabschlüssen in den Euro-Ländern gelten für die Währungshüter als wichtiger Faktor für eine Entscheidung, wann die EZB ihren restriktiven Kurs aufgeben und erste Zinssenkungen einleiten sollte. Denn es besteht nach wie vor die Sorge, dass ein zu kräftiges Lohnwachstum die Inflation erneut anfachen könnte.

Insider hatten zuletzt gesagt, es sei unwahrscheinlich, dass die EZB bereits vor ihrer Zinssitzung im Juni die Zinsen erstmals wieder senken werde. Am Finanzmarkt haben inzwischen die Spekulationen auf rasche Zinssenkungen etwas nachgelassen, nachdem sie um die Jahreswende herum noch ins Kraut geschossen waren. Investoren richten inzwischen verstärkt den Blick auf die Jahresmitte. In der jüngsten Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters waren 46 von 73 Volkswirten - das sind 63 Prozent - davon ausgegangen, dass die EZB erstmals im Juni die Zinsen herabsetzen wird und zwar um einen viertel Prozentpunkt.

(Reuters)