Es gebe "eine gewisse Unlust auf Seiten der Banken, sich ernsthaft in aufsichtliche Diskussionen" über wirtschaftliche Risiken einzubringen, sagte der Präsident des Aufsichtsgremiums der EZB, Andrea Enria, am Dienstag laut Redetext bei einer Konferenz in Wien. Diese Haltung sei inakzeptabel, denn "die russische Invasion in der Ukraine entwickelt sich zu einem anhaltenden und umfassenden makroökonomischen Schock", der von den Aufsichtsbehörden "äusserste Vorsicht" verlange, sagte er.

Enria forderte die Banken auf, die aussergewöhnlich niedrigen Ausfallquoten der letzten zwei Jahre nicht blindlings fortzuschreiben. Allerdings räumte er ein, dass sich die EZB mit ihren Warnungen vor Zahlungsausfällen im Zuge der Corona-Pandemie als letztlich zu pessimistisch herausgestellt habe. 

"Unsere Schätzungen über den möglichen Anstieg der notleidenden Kredite erwiesen sich im Nachhinein, gelinde gesagt, als zu pessimistisch", so Enria. "Wir könnten nun das gleiche Schicksal erleiden wie der Hirtenjunge, der in der Fabel von Äsop 'Wolf' rief, und es könnte sich unter den Banken die Tendenz ausbreiten, die Aufrufe ihrer Aufsichtsbehörden zur Vorsicht als ungerechtfertigten Konservatismus abzutun."

Unter anderem UniCredit und Commerzbank haben für dieses Jahr optimistische Gewinnprognosen gegeben, da die Zinserhöhungen der EZB die Erträge beflügeln. Viele haben auch die Rückstellungen für Kreditverluste konstant gehalten, obwohl die galoppierende Inflation und die sich verschärfende Energiekrise Unternehmen in den Ruin zu treiben drohen und es für die Verbraucher immer schwieriger wird, ihre Rechnungen zu bezahlen.

Enria wiederholte frühere Warnungen vor den Risiken, die mit der Kreditvergabe an bereits hoch verschuldete Unternehmen verbunden sind - das Geschäft mit sogenannten Leveraged Loans, das eine Reihe von Banken in den letzten Jahren ausgebaut hat. Die EZB hat angekündigt, dass sie Kreditgebern, die sich nicht mit diesen Risiken auseinandersetzen, höhere Kapitalanforderungen auferlegen wird.

"Im zweiten Quartal 2022 haben wir beobachtet, dass die aktiveren Originatoren weiterhin neue Transaktionen gezeichnet haben, als ob nichts geschehen wäre, auch wenn die Möglichkeiten zur Syndizierung unklar waren", so Enria am Dienstag. "Infolgedessen stiegen ihre Risiken in der Underwriting-Pipeline, weil die Bestände nicht platziert werden konnten, da an den Primärmärkten eine Starre eingesetzt hat."

(Bloomberg)