Experten gehen davon aus, dass die Euro-Wächter um Notenbankchefin Christine Lagarde trotz der anhaltenden Konjunkturflaute und eines abebbenden Preisschubs an den Schlüsselzinsen nicht rütteln werden. Schon im Oktober und Dezember hatten sie die Füsse stillgehalten und ein länger währendes Zinsplateau in Aussicht gestellt. Der Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, und der am Finanzmarkt der massgebliche Zins ist, würde damit auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent bleiben, der Leitzins bei 4,50 Prozent.

Der Zinsentscheid der EZB wird am Nachmittag um 14.15 Uhr (MEZ) erwartet. Um 14.45 Uhr will sich EZB-Präsidentin Lagarde dann auf einer Pressekonferenz den Fragen der Journalisten stellen.

Im Blickpunkt der Sitzung dürfte stehen, wie die Währungshüter auf die Zinssenkungsspekulationen an den Finanzmärkten reagieren. Aktuell sind an der Börse für das Gesamtjahr Zinsschritte nach unten im Gesamtvolumen von 1,27 Prozentpunkten in den Kursen enthalten. Mit der ersten Zinssenkung wird im April oder Juni gerechnet. Vor zwei Wochen waren noch deutlichere Zinssenkungen im Gesamtumfang von 1,50 Prozentpunkten erwartet worden. Eine Reihe von Währungshütern, darunter auch Lagarde, hatte +aber das Weltwirtschaftsforum in Davos genutzt, um die ausufernden Zinsfantasien wieder etwas einzufangen.

Erwartet wird daher, dass Lagarde auf der Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss darauf hinweisen wird, dass der Preisdruck noch immer hoch ist. Dazu dürfte sie bestehende Unsicherheiten für den Inflationsausblick aufzeigen. Ein zentraler Faktor: In vielen Euro-Ländern finden im ersten Quartal Lohnverhandlungen statt, die für die weitere Inflationsentwicklung wichtig sind. Mit Daten zu den Tarifabschlüssen rechnen die Euro-Wächter aber erst im April oder Mai. Daraus haben viele Beobachter den Schluss gezogen, dass eine erste Zinssenkung wahrscheinlich erst im Juni anstehen könnte.

Dennoch hält eine Reihe von Bankhäusern es weiter für möglich, dass eine rückläufige Inflation und die anhaltende Konjunkturschwäche die Euro-Wächter früher zum Handeln zwingt. Denn die Inflation im Euro-Raum hat sich nach einer Serie von zehn Zinserhöhungen inzwischen deutlich abgeschwächt. Im Dezember lag die Teuerungsrate in der 20-Länder-Gemeinschaft bei 2,9 Prozent - noch im Herbst 2022 hatte sie zeitweise bei über zehn Prozent gelegen. Ziel der EZB sind 2,0 Prozent. Die Euro-Wächter gehen aber bislang davon aus, dass die Inflation erst Mitte 2025 wieder zur Zielmarke zurückkehrt. Manche Volkswirte erwarten dies deutlich früher. Dazu kommt, dass die Wirtschaft in der Euro-Zone im Schlussquartal womöglich in eine Rezession gerutscht ist. Im dritten Quartal war die Wirtschaftsleistung bereits um 0,1 Prozent zum Vorquartal geschrumpft. All dies könnte für eine frühere Kurswende sprechen.

(Reuters)