Die Ereignisse in Kalifornien stellten ein "Musterbeispiel für eine unangemessene Panikreaktion der Aktienmärkte" dar, sagte Rainhard Schmidt von der Goethe-Universität in Frankfurt/Main am Samstag der Deutschen Presse-Agentur.
"Der Kurssturz war unangebracht, weil die Silicon Valley Bank ein sehr spezielles Geschäftsmodell verfolgt, das wirklich keine Ähnlichkeiten zu denen fast aller Banken der meisten Länder aufweist", sagte der Ökonomie-Professor. Es bestehe also kein Systemrisiko und kein Grund zu weiterreichenden Befürchtungen. "Die schnelle weitgehende Kurserholung war vollauf gerechtfertigt."
Ähnlich äusserte sich Finanzmarktexperte Wolfgang Gerke. "Die SVB Bank gefährdet nicht den internationalen Kapitalmarkt. Ihr Klumpenrisiko aus der Start-Up-Finanzierung ist untypisch für den Bankensektor", sagte der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums der dpa. "Deutsche Banken sind mit ihren Eigenkapitalpuffern und Geschäftsmodellen stabil aufgestellt. Gefahren in den USA drohen aus den grossen Anleiheportfolios kleinerer Banken", betonte der Ökonomie-Professor.
Bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hiess es auf Anfrage: "Wir haben die aktuellen Entwicklungen im Blick und berücksichtigen sie im Rahmen unserer laufenden Aufsicht."
Aus Sicht des Harvard-Professors und früheren US-Finanzminister Larry Summers sind grosse Sorgen vor Ansteckungsgefahren übertrieben. Im Sender Bloomberg TV sprach er von "Überreaktion". Solange die Krise bei SVB vernünftig bewältigt und Kundengelder ausgezahlt würden, sei von keinen systemischen Risiken für den Bankensektor auszugehen.
Technologiefirmen leiden besonders unter den aktuell hohen Zinsen, weil sich dadurch ihre Refinanzierung erschwert. Zudem besteht die Gefahr, dass Kredite nicht mehr bedient werden können. Ein hohes Zinsniveau drückt zudem auf die Bewertung der Unternehmen, da in einem solchen Umfeld die für die Zukunft in Aussicht gestellten Gewinne aus heutiger Sicht weniger wert sind. Kunden der Silicon Valley Bank aus der Tech-Branche hatten nun zuletzt Einlagen abgezogen, weil sie selber Liquidität benötigten.
Silvergate und SVB "sind in der Tat Opfer desselben Phänomens, da die Straffung der US-Geldpolitik den Schaum aus den Teilen der Wirtschaft mit den meisten Überschüssen abschöpft - und es ist schwer, mehr Überschüsse zu finden als in Krypto- und Tech-Startups", sagte Analyst Adam Crisafulli von Vital Knowledge am Freitag.
Auch ein anderer Händler sprach eher von einem Stimmungsdämpfer. Ein direkter Fingerzeig für den Sektor seien die Probleme der SVB dagegen nicht.
Joachim Klement von der Investmentbank Liberum Capital sprach von wachsenden Ängsten vor einer Kreditklemme. Allerdings geht auch er nicht davon aus, dass die Situation der SVB eine unmittelbare Bedrohung für das europäische Bankensystem darstellt. Das US-Institut habe ein sehr spezielles Geschäftsmodell und sei auf Wagniskapital sowie die Finanzierung junger Wachstumsunternehmen spezialisiert. Das sei innerhalb der Bankenszene ziemlich einmalig. Notleidende Kredite dürften im laufenden Jahr zwar zunehmen, aber die Reserven der Banken in Europa und den USA seien ausreichend, um Probleme aufzufangen.
(AWP)