Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nach der Niederlage seiner nationalkonservative Partei AKP bei den Kommunalwahlen eine Kurskorrektur signalisiert. «Wenn wir einen Fehler gemacht haben, werden wir ihn beheben», sagte Erdogan am Montag in der Parteizentrale in Ankara. Welche Änderungen er innerhalb seiner Partei oder in der Politik vornehmen wolle, liess er allerdings offen. «Dies ist nicht das Ende für uns, sondern ein Wendepunkt», sagte Erdogan. Er räumte zugleich Verluste für die AKP ein.

Die oppositionelle CHP - die Partei des Gründers der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk - erreichte landesweit fast 38 Prozent der Stimmen. Sie lag mehr als zwei Punkte vor der AKP. Erdogan selbst war erst im Mai 2023 für weitere fünf Jahre gewählt worden. Die Kommunalwahlen, bei denen auch Stadt- und Gemeinderäte neu bestimmt wurden, galten dennoch als wichtiger Stimmungstest.

Unabhängige Wahlbeobachter sprachen von einem insgesamt ordnungsgemässen Verlauf, übten jedoch auch Kritik. «Der Wahltag war insgesamt ruhig und professionell organisiert, mit einer hohen Wahlbeteiligung, die ein starkes Engagement der Bürger für demokratische Prozesse zeigt», sagte David Eray, der Leiter der vom Europarat eingesetzten Beobachtungsmission. Allerdings hätten die Kommunalwahlen «in einem stark polarisierten Umfeld» stattgefunden, der für die Demokratie vor Ort «nur teilweise förderlich war», fügte der stellvertretende Leiter Vladimir Prebilic hinzu. Allerdings müsse «mehr getan werden, um ein politisches und mediales Umfeld zu gewährleisten, in dem echte Meinungsfreiheit und ein vernünftiger und gut umgesetzter Rahmen unter Aufsicht einer unabhängigen Justiz herrschen». Vor dem Urnengang berichteten regierungsnahe Medien über die täglichen Kundgebungen Erdogans, während die Opposition viel seltener zu Wort kam.

In der besonders in Istanbul, der grössten türkischen Stadt, beachteten Wahl setzte sich der amtierende Bürgermeister Ekrem Imamoglu von der CHP durch. Er erhielt 51 Prozent der Stimmen und lag damit elf Punkte vor seinem AKP-Herausforderer. Umfragen hatten zuvor auf ein enges Rennen hingedeutet. «Die Zeit der Ein-Personen-Herrschaft ist mit dem heutigen Tag beendet», sagte Imamoglu. Der 53-jährige ehemalige Geschäftsmann wird als künftiger Präsidentschaftskandidat gehandelt.

Analysten machen die hohe Inflation für die Stimmverluste der AKP mitverantwortlich. Die aktuelle Teuerungsrate lieg bei fast 70 Prozent. Erdogan bat angesichts des langsameren Wirtschaftswachstums und der hohen Kreditkosten um Geduld. Finanzminister Mehmet Simsek sagte, das Sparprogramm werde fortgesetzt.

Von der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu veröffentlichte Zwischenergebnisse zeigten, dass die AKP und ihre Verbündeten Bürgermeisterämter in zehn grossen Städten verloren. Darunter waren den Angaben zufolge Bursa und Balikesir im industriell geprägten Nordwesten des Landes. Beobachtern zufolge wurde die AKP für die schlechte Wirtschaftslage abgestraft. «Die Wirtschaft war der entscheidende Faktor», sagte Hakan Akbas von der Politikberatung Albright Stonebridge Group. «Die türkische Bevölkerung wollte einen Wechsel, und Imamoglu ist jetzt der natürliche Gegner von Präsident Erdogan.» 

(Reuters)