Vor laufenden Kameras fielen sich die beiden Staatsoberhäupter am Freitag im Weissen Haus lautstark ins Wort. Selenskyj stellte einen diplomatischen Ansatz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin infrage und forderte Trump auf, keine Kompromisse mit «einem Killer» einzugehen. Trump und sein Vizepräsident JD Vance warfen Selenskyj vor, respektlos zu sein.

Nach dem Austausch verliess Selenskyj das Weisse Haus. Aus US-Kreisen verlautete, es hänge von der Ukraine ab, ob es einen neuen Termin für die Unterzeichnung geben werde. Mehrere europäische Staaten - darunter Deutschland - sagten der Ukraine umgehend ihre Unterstützung zu.

Selenskyj und Trump wollten vor der Presse ein in den vergangenen Tagen ausgehandeltes Abkommen unterzeichnen, das den USA Zugang etwa zu Seltenen Erden in der Ukraine gewähren würde. Am Anfang des Treffens sagte Trump, diese würden von den USA etwa für die Künstliche Intelligenz (KI), aber auch für Waffen verwendet werden.

Nach vorab vorliegenden Informationen sollte der Vertrag jedoch keine ausdrücklichen US-Sicherheitsgarantien für die Ukraine enthalten, ein zentrales Anliegen der Regierung in Kiew. Trump hatte erklärt, die Präsenz von Amerikanern im Zuge des Rohstoffabbaus sei in sich eine Art Garantie. Der US-Präsident sieht für die gewünschten Sicherheitsgarantien insbesondere die Europäer in der Pflicht.

«Entweder Sie schliessen ein Abkommen, oder wir sind raus»

Im Zuge des hitzigen Wortwechsels drohte Trump damit, der Ukraine die Unterstützung der USA zu entziehen. «Entweder Sie schliessen ein Abkommen, oder wir sind raus», sagte er zu seinem Gast. «Und wenn wir raus sind, werden Sie es auskämpfen. Ich glaube nicht, dass das schön wird.» Die Regierung in Kiew habe dafür «nicht die Karten».

Nach einem Abkommen wäre die Ukraine dagegen in einer viel besseren Lage. «Aber Sie verhalten sich ganz und gar nicht dankbar, und das ist nicht nett.» Zwischendurch warf Trump Selenskyj vor: «Sie spielen mit dem Dritten Weltkrieg.»

Nach dem Austausch schrieb Trump auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social, Selenskyj sei nicht bereit zu einem Frieden unter Beteiligung der USA. Er habe sich respektlos gegenüber den USA und dem Oval Office gezeigt. «Er kann wiederkommen, wenn er bereit ist zu einem Frieden.»

In ersten Reaktionen stellten sich europäische Staaten hinter die Regierung in Kiew. Niemand wolle Frieden mehr als die Bürger der Ukraine, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Kurznachrichtendienst X. Deswegen suche man gemeinsam den Weg zu einem dauerhaften und gerechten Frieden. «Auf Deutschland - und auf Europa - kann sich die Ukraine verlassen.» Auch sein mutmasslicher Nachfolger, CDU-Chef Friedrich Merz, erklärte auf X: «Lieber Wolodymyr Selenskyj, wir stehen der Ukraine in guten und in schwierigen Zeiten bei.»

Beziehungen zwischen Trump und Selenskyj vor dem Austausch am Freitag gespannt

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wandte sich auf X ebenfalls direkt an den ukrainischen Präsidenten. «Seien Sie stark, seien Sie mutig, seien Sie furchtlos. Sie sind niemals allein, lieber Präsident Selenskyj.» Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez erklärte ebenfalls auf der Plattform, Spanien stehe an der Seite der Ukraine. Auch Polen, Norwegen und Estland sicherten dem Land ihre Solidarität zu. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hielt fest, im Krieg sei Russland der Angreifer und das ukrainische Volk der Angegriffene.

Die Beziehungen zwischen Trump und Selenskyj waren bereits vor dem Austausch am Freitag gespannt. Der US-Präsident hatte seinen ukrainischen Kollegen einen «Diktator ohne Wahlen» genannt, ungeachtet der Vorgabe der ukrainischen Verfassung, dass in Kriegszeiten keine Wahlen stattfinden dürfen. Trump brach auch mit der Vereinbarung der Ukraine-Verbündeten, nicht direkt mit Putin zu sprechen.

Unter Trumps Vorgänger Joe Biden hatten die USA dagegen Milliardenhilfen an die Ukraine geleistet und sich unmissverständlich an deren Seite gestellt. Der durch den russischen Überfall im Februar 2022 ausgelöste Krieg verläuft aktuellen Informationen zufolge zuungunsten der Ukraine. Russland kontrolliert etwa ein Fünftel des Landes und machte zuletzt weitere Geländegewinne.

(Reuters)