Am Mittwoch empfingen die 27 EU-Staats- und Regierungschefs ihre Kollegen aus den südostasiatischen zehn Asean-Staaten in Brüssel. Zeitgleich hält US-Präsident Joe Biden in Washington drei Tage Hof für 45 afrikanische Länderchefs. Bei beiden Ereignissen beschworen westliche Regierungen, wie wichtig ihnen die Zusammenarbeit mit den Partnern in Asien und Afrika ist.

"Die Vereinigten Staaten setzen voll auf die Zukunft Afrikas", sagte Biden. Treibende Kraft hinter dem neuen Bemühen ist aber das aufstrebende China, von dem Europäer und Amerikaner gerne unabhängiger werden möchten - und das selbst generalstabsmässig Kontakte in alle Welt ausbaut.

Immerhin haben die EU und die USA als die beiden grössten Wirtschaftsräume der Welt nun Gipfel mit Regionen gehabt, die ihrerseits knapp zwei Milliarden Menschen vertreten. "Gemeinsam haben die zehn Asean-Staaten 670 Millionen Einwohner – wir in der EU sind 450 Millionen", hatte Kanzler Olaf Scholz schon am Mittwoch im Bundestag die Bedeutung betont. In Afrika mit seinen mehr als 1,2 Milliarden Menschen wird sich die Bevölkerung bis 2050 noch einmal verdoppeln. Da passt nicht, wenn die Berichterstattung auch im Westen vor allem auf die atomaren Supermächte USA und China fixiert ist.

Weckruf für die USA

Dabei ist es nicht so, dass nur die Europäer einen Weckruf brauchten. Die Einladung von Biden an afrikanische Delegationen aus 49 Ländern und der Afrikanischen Union, darunter 45 afrikanische Staats- und Regierungschefs, ist die erste amerikanische seit 2014. Die Regierung in Peking hält dagegen seit mehr als zwei Jahrzehnten alle drei Jahre eigene hochrangige Treffen mit afrikanischen Staatsoberhäuptern ab.

Die Folge: Die USA sind als Handelspartner weit hinter China zurückgefallen. Laut einer Analyse der Eurasia Group stieg der US-Handel mit den afrikanischen Staaten von 2002 bis 2021 von 21 auf 64,3 Milliarden Dollar - aber der chinesisch-afrikanische im selben Zeitraum von zwölf auf 254 Milliarden Dollar.

"Der US-Afrika-Gipfel ist deshalb ein wichtiges Signal gleich in mehreren Richtungen: an die afrikanischen Partner, dass die USA und der Westen grosses Interesse an einer engeren politischen und ökonomischen Zusammenarbeit mit dem Kontinent haben", sagt der Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Christoph Kannengiesser, zu Reuters. Man wolle Afrika nicht mehr Chinesen und Russen überlassen. Die Botschaft gehe auch an US-Unternehmen, dass sie mehr tun sollten - und an Europäer und Deutsche. "Deshalb wünschen wir uns auch einen Afrika-Gipfel mit einem starken Fokus auf die Wirtschaft in Deutschland in 2023", fügt Kannengiesser hinzu.

China streckt die Fühler aus

Einen ähnlichen Schock wie in Afrika hatten die USA schon vor einigen Monaten erhalten, als der chinesische Aussenminister auf einer zehntägigen Reise die kleinen Pazifikstaaten besuchte. Plötzlich wachte man auch in Washington auf und bot den kleinen Ländern Kooperationen an, nachdem man sie jahrzehntelang nicht beachtet hatte. Plötzlich besuchte sogar  Annalena Baerbock als erste deutsche Aussenministerin Palau.

Und der deutsche Kanzler Scholz lieferte für die "Neuentdeckung der Welt" den gedanklichen Überbau. Schon vor dem G7-Gipfel in Elmau hatte der Kanzler angekündigt, dass er wichtige Schwellenländer wie Indonesien, Indien, Argentinien, Senegal und Südafrika zum Treffen der wichtigsten westlichen Industriestaaten einladen würde. "Wir müssen nicht nur unsere Lieferketten diversifizieren, sondern auch unsere Verbindungen in alle Teile der Welt", mahnte er am Mittwoch erneut. Deutschland brauche "enge und vertrauensvolle Partnerschaften, besonders mit den aufstrebenden Nationen in Asien, in Afrika, in Lateinamerika und in der Karibik".

Denn nicht nur China lauert im Hintergrund. Ein weiterer Weckruf war die Reaktion der Weltgemeinschaft auf den russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar. Denn bei den UN verurteilten auch Schwergewichte wie Indien oder Südafrika Russland nicht. Im Werben um die Schwellenländer bekommen Scholz & Co immer wieder zu hören, dass der russische Angriff zwar nicht in Ordnung sei - diese Länder aber eigene Probleme hätten. Denn der durch den Konflikt ausgelöste drastische Preisanstieg bei Energie und Lebensmitteln stürzt gerade Schwellenländer und Staaten auf der Südhalbkugel in Probleme. Mit viel Geld federten die reichen westlichen Staaten erst einmal die schlimmsten Folgen für ihre eigenen Bevölkerungen ab.

Front gegen Russland

Aber nun bemühen sich die G7-Staaten verstärkt um den Rest der Welt - den man auch für eine Front gegen Russland braucht. Die EU macht den Asean-Staaten Angebote von zehn Milliarden Euro und hat ein Alternativkonzept zur chinesischen Seidenstraßen-Initiative auf den Weg gebracht. Die G7 locken mit riesigen Finanzzusagen in den Ausbau der weltweiten Infrastruktur. Vietnam erhält 14,7 Milliarden Euro für den Umbau seiner Energieversorgung. Ähnliche Programme sind bereits mit Indonesien und Südafrika abgeschlossen worden.

Manchmal geht es auch "nur" um Wertschätzung - was die vielen Gipfel erklärt. Deshalb betonte Biden in Washington: "Wenn Afrika Erfolg hat, haben die Vereinigten Staaten Erfolg. Offen gesagt, hat auch die ganze Welt Erfolg."

(Reuters)