Am 22. Juni war es soweit: Die schwedische Softwareschmiede Sinch wurde in den Index der 600 grössten europäischen Unternehmen aufgenommen – den STOXX Europe 600. Und weniger als drei Monate später belegt das in Stockholm beheimatete Unternehmen den ersten Platz unter den diesjährigen besten Performern im europäischen Referenzindex – plus 212 Prozent seit Jahresbeginn. Das zweitplatzierte HelloFresh liegt mit plus 129 Prozent abgeschlagen dahinter.
Beste und schlechteste Performer im STOXX Europe 600 seit Anfang 2020 (Quelle: Bloomberg).
Doch wie lässt sich diese gute Performance erklären? Ein Grund liefert das Produkt: Das schwedische Unternehmen entwickelt digitale Werkzeuge für die persönliche Interaktion zwischen Unternehmen und Einzelpersonen – sei es über SMS, Sprachnachrichten oder Video. Auf der Grundlage der Sinch-Cloud-Kommunikationsplattform können Unternehmen jedes Mobiltelefon auf der Welt innerhalb von ein bis zwei Sekunden mit ihren Nachrichten erreichen. Und es liegt auf der Hand, dass gerade solche Dienste in der Corona-Krise stärker gefragt sind.
Doch auch die Charttechnik bietet eine Erklärung: Die diesjährige Kursperformance zeigt klar einen positiven Trend mit zwei "Higher Highs" (grüner Pfeil) und zwei "Lower Highs" (roter Pfeil). Die Aktie scheint momentan das nächste "Higher High" im aufwärts gerichteten Trendkanal anzustreben.
Diesjährige Performance der Sinch-Aktien mit "Higher Highs" (grün) und "Higher Lows" (rot) (Quelle: cash.ch).
Definiert wird ein Trendkanal dadurch, dass der Kurs sich innerhalb einer eindeutig festlegbaren Handelsspanne bewegt. Das obere Ende dieser Spanne wird durch die Hochpunkte gebildet, von denen der Kurs stets wieder nach unten abprallt. Das untere Ende hingegen wird durch die Tiefpunkte gebildet, die der Kurs nicht unterschreitet, sondern von ihnen wieder nach oben abfedert.
Starkes Umsatz- und Gewinnwachstum
Was neben der coronabedingten und charttechnischen Unterstützung ebenfalls für die ausgezeichnete Aktienperformance der Schweden spricht: Acht der zehn grössten US-Technologie-Unternehmen nutzen die Technologieplattform. Ebenso ist Sinch ein etablierter Softwarelieferant für Mobilfunkbetreiber weltweit.
Und auch auf der Ergebnisseite muss sich Sinch nicht vor der Konkurrenz verstecken: Der Umsatz steigerten die Schweden im ersten Halbjahr gegenüber der Vorjahresperiode um 42 Prozent auf 3,246 Milliarden schwedische Kronen (340 Millionen Franken). Und auch der Gewinn stieg um 20 Prozent auf 133 Millionen Schwedische Kronen (14 Millionen Franken).
Britische Wettbewerbsbehörde hat Bedenken
Zudem will das in mehr als 30 Ländern tätige Unternehmen auch durch Zukäufe wachsen. Im Mai wurde bekannt, dass Sinch die SAP-Tochter SAP Digital Interconnect (SDI) für 225 Millionen Euro kaufen will. SDI mit Sitz in Kalifornien bietet Cloud-basierte Kommunikationsdienste an und passt daher ins Portfolio – zudem erhöht der Deal die Sinch-Präsenz in den USA.
Alledings steht der Deal neuerdings unter schlechten Vorzeichen: Die britischen Wettbewerbshüter gaben am Donnerstag bekannt, dass sie sich den Verkauf von SDI genauer anschauen werden - die Aktien reagieren mit einem Minus von mehr als 4 Prozent. Es steht die Frage im Raum, ob dies den Wettbewerb in Grossbritannien massgeblich beeinträchtigen würde. Der Entscheid wird spätestens bis am 28. Oktober erwartet.
Von Analysten wird der das schwedische Sinch indessen nicht breit abgedeckt. Bloomberg führt lediglich vier Analystenmeldungen auf – was noch keine aufschlussreiche Aussage über das durchschnittliche Kursziel und Rating zulässt. Das momentane Kurs-Gewinn Verhältnis von 163 sollte jedoch jeden Anleger zur Vorsicht mahnen. Wenn wirklich in dieser Phase der Tech-Rally ein Zukauf getätigt werden will, empfiehlt es sich, auf die nächste Korrekturphase ("Lower High") zu warten.