Joe Kaeser, der Aufsichtsratschef von Siemens Energy und Daimler Truck sowie ehemaliger Siemens-CEO, forderte in einem am Samstag veröffentlichten Reuters-Interview Wirtschaftsvertreter auf, offen auf die Folgen von AfD-Wahlerfolgen hinzuweisen. «Wer die AfD wählt, entscheidet sich für den Verlust des Wohlstands unseres Landes und seiner Bürger», sagte Kaeser.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser zog eine Parallele von der umstrittenen Konferenz bei Potsdam, an der Rechtsextreme und auch AfD-Politiker teilgenommen hatten, zur Wannsee-Konferenz in der NS-Zeit. In zahlreichen deutschen Städten sind am Wochenende neue Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Hetze geplant.

Auslöser der Proteste sind Berichte über ein Treffen von Rechtsextremen in Potsdam, bei denen auch AfD-Funktionäre, Mitglieder der rechtskonservativen Werteunion und auch ein CDU-Mitglied anwesend waren. Dort soll über Pläne von Massendeportationen von Migranten gesprochen worden sein. Teilnehmer dementierten dies, die Berichte lösten dennoch breite Empörung aus. AfD-Chefin Alice Weidel löste den Arbeitsvertrag mit einem Mitarbeiter auf, der an der Konferenz teilgenommen hatte.

Innenministerin Faeser stellte wie zuvor schon SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert einen Zusammenhang zwischen dem Potsdamer Treffen und der Wannsee-Konferenz her, auf der das NS-Regime 1942 die systematische Ermordung der Juden in Europa geplant hatte.

Sie wolle das nicht gleichsetzen, sagte die SPD-Politikerin der Funke-Mediengruppe. Aber was hinter harmlos klingenden Begriffen wie «Remigration» versteckt werde, sei «die Vorstellung, Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Haltung massenhaft zu vertreiben und zu deportieren».

Die Demokratie müsse verteidigt werden. Die Innenministerin bremste zugleich in der Debatte über ein AfD-Verbot und den Entzug demokratischer Rechte für AfD-Politiker wie der thüringische AfD-Landeschef Björn Höcke. Die Hürden für ein Verbot lägen sehr hoch. Wichtig sei, die politische Auseinandersetzung zu suchen und darum zu werben, dass die Menschen zu den demokratischen Parteien zurückkämen. Die AfD wird in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als «gesichert rechtsextrem» eingestuft.

In den vergangenen Tagen hatte es in zahlreichen Städten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Hetze gegeben. In Hamburg musste eine Kundgebung mit Zehntausenden Teilnehmern am Freitag wegen Überfüllung abgebrochen werden. Die Demonstrationen lösten wegen der Breite der dazu aufrufenden Organisationen auch Kritik aus.

«Die Demos gegen Rechts sind vielfach von Linksextremisten unterwandert», schrieb etwa der bayerische Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger von den Freien Wählern auf der Online-Plattform-Plattform X. Den Bauerndemos sei «fälschlicherweise» der Vorwurf der Unterwanderung durch Rechtsextreme gemacht worden. «Ich erwarte die Distanzierung aller Demokraten und der Bundesregierung von Linksextremisten», fügte er hinzu. Auch CDU-Chef Friedrich Merz hatte kritisiert, dass die Ampel-Regierung die Bauern-Proteste gegen Subventionskürzungen mit dem Verdacht einer Unterwanderung habe diskreditieren wollen.

Deutlicher als andere Wirtschaftsvertreter appellierte der frühere Siemens-Chef Joe Kaeser, an die Spitzen von Unternehmen, sich gegen Rechtsextremismus auch öffentlich zu positionieren. Es gebe eine Verantwortung von Führungskräften, die Zusammenhänge auch für die Wirtschaft deutlich zu machen. «Wer die AfD wählt, entscheidet sich für den Verlust des Wohlstands unseres Landes und seiner Bürger», sagte Kaeser zu Reuters. «Da sind wir alle gefordert – besonders die Manager, die diese wirtschaftlichen Zusammenhänge kennen», fügte er hinzu.

Kaeser warnte unter anderem von einem schweren Schaden für die Marke «Made in Germany» durch AfD-Wahlerfolge. «Unsere Kunden und Investoren ausserhalb Deutschlands beobachten sehr genau, ob Deutschland wieder sein hässliches nationales Gesicht zeigt und sich in der freien Welt isoliert», sagte er.

(Reuters)