cash.ch: Dottikon ES verzeichnete in den vergangenen Jahren ein durchschnittliches organisches Wachstum von 17 Prozent. Ist es wahrscheinlich, dass dieses hohe Tempo auch in Zukunft beibehalten wird? Im Bereich innovativer Medikamente auf Basis von Small-Molecules wird für die kommenden Jahre ein jährliches Wachstum von plus 7 Prozent prognostiziert.
Markus Blocher: Wachstum um des Wachstums Willen ist keine Strategie.
Welche Strategie verfolgen Sie denn?
Wenn Kunden Bedürfnisse haben, die wir mit einem Mehrwert erfüllen können, dann bieten wir entsprechende Problemlösungen an. Wenn wir dies gut machen und daher die Nachfrage und Kundenbasis zunimmt, wachsen wir mit diesen Kunden.
Wo sehen Sie die grössten Risiken bei der Umsetzung dieser Strategie?
Die gegenwärtige Klima- und Energiepolitik birgt das grösste Risiko.
Die Regulierung als Risiko?
Diese Regulierung überbordet und wird gigantischen bürokratischen Aufwand nach sich ziehen. Sie ist zudem technisch im vorgegebenen Zeitrahmen nicht realisierbar, wird zu einer massiven Kostensteigerung ohne sichtbaren Nutzen für die Gesellschaft führen und daher auch sozioökonomisch nicht um- und durchsetzbar sein. Die Menschen streben nach Wohlstand und Mobilität, Freiheit ist ein menschliches Grundbedürfnis.
Warum sollte die Klimapolitik nicht umsetzbar sein?
Regulierungsbedingte steigende strukturelle Kosten wie bei den Energiepreisen stellen für die Bevölkerung und Unternehmen eine Belastung dar und führen letztendlich immer zu Wohlstandsverlust. Für Dottikon ES würde die Erreichung der CO2-Neutralität im Jahr 2050, unter optimistischen Annahmen für die technische Machbarkeit, jährlich zwischen 55 und 155 Millionen Franken kosten. Das sind 20 bis 50 Prozent unseres gegenwärtigen Umsatzes. Als finale Konsequenz würden sich die Medikamentenpreise erhöhen. Dies gilt für andere Industrien in der ähnlichen Grössenordnung. Im Moment werden die Dinge schöngerechnet und schöngeredet. Die Verbesserung der Energieeffizienz und Reduzierung der CO2-Intensität haben zwar bis zu einem gewissen Grad einen ökologischen und ökonomischen Nutzen. Damit wird man aber bei der heutigen Bevölkerungsanzahl und deren Wohlstandsbedürfnis Netto-Null nie erreichen.
Inwiefern verursacht die Energiepolitik Probleme?
Eine nicht unterbruchsfreie Stromversorgung bereitet in der technisch automatisierten und digitalisierten Industrie grosse Probleme. Deshalb errichten wir eine Ersatzstromanlage, um das gesamte Werk mit eigenem Strom versorgen zu können. Dies, falls die Stromversorgung unterbrochen wird oder kontingentiert werden muss.
Sie halten die Energiestrategie des Bundes nicht für glaubwürdig?
Die zunehmende Elektrifizierung ohne einen klaren Erzeugungs- und Infrastrukturplan ist äusserst problematisch. Im April mussten wir wegen eines kurzen regionalen Stromausfalls auf Swissgrid-Ebene ein Forschungs- und Entwicklungsgebäude evakuieren, da die Laborlüftung ausgefallen ist. Es hat einige Wochen gedauert, bis alles wieder normal funktionierte. Es wird Zeiten geben, in denen der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Dann wird es im vernetzten Europa ein Problem geben, da es ohne Bandenergie wie durch Kern- oder Gaskraftwerke keine kontinuierliche Energieversorgung gibt.
Was ist Ihnen im Geschäftsalltag wichtig?
Meine Philosophie im Unternehmen ist: Das Problem des Erfolgs und der Erfolg des Problems. Mich interessiert nicht der Erfolg, sondern das Problem. Wenn man ein Problem löst, schafft man Mehrwert.
Wie ist die Situation in Bezug auf die Preisentwicklung bei den Rohstoffen?
Wir haben praktisch alle Kunden auf den Schweizer Franken umgestellt und konnten so zum Teil mit dem starken Franken dem Problem steigender Rohstoffpreise etwas begegnen. Aber wir haben dennoch den Teuerungsdruck gespürt, da die Energiepreise und auch die Löhne stark gestiegen sind.
Dottikon ES ist auf sicherheitskritische Reaktionen und die exklusive Synthese von pharmazeutischen Wirkstoffen (API) und Feinchemikalien spezialisiert. Wie gross ist der Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz?
Als Spezialist geht es darum, das Risiko gut zu verstehen, einzuschränken und zu kontrollieren. Wir lehnen Projekte ab, bei denen wir der Meinung sind, dass diese Produkte nicht sicher produzierbar sind.
Ist gerade dieses Prozess-Wissen ein Wettbewerbsvorteil?
Wir sind spezialisiert auf Small-Molecules, bei denen etwa 90 Prozent Stickstoff enthalten. Im Durchschnitt sind es 3,7 Stickstoffatome pro Molekül, bei neuen Produkten tendenziell sogar etwas mehr. Die Einführung von Stickstoff in eine chemische Struktur erfordert immer irgendwo in der Synthese sicherheitskritische Chemie und hat den Bezug zu unseren Wurzeln. Kombiniert mit unserer Einstandort-Strategie als Leistungsführer und strategischer Entwicklungs- und Produktionspartner haben wir dadurch ein Alleinstellungsmerkmal.
Dottikon ES war früher auch eine Sprengstofffabrik…
Sicherheitskritische Reaktionen umfassen für uns hochexotherme Prozesse, den Einsatz hochreaktiver Verbindungen, die mit Luft oder Wasser spontan reagieren, die Herstellung und Verwendung von Verbindungen mit Sprengstoffcharakter in der Synthese sowie die Herstellung von potenten Pharmawirkstoffen. Die Tieftemperatur- und Hochdruckchemie sowie die kontinuierliche Reaktionsführung haben synergistische Überlappungen mit der sicherheitskritischen Chemie und sind ebenfalls von uns beherrschte Kerntechnologien.
Zurück zum Wachstumspotenzial: Warum kam man letztes Jahr nicht vom Fleck?
Im vergangenen Geschäftsjahr verzeichneten wir lediglich ein Wachstum von rund 2 Prozent, weil unsere bestehenden Anlagen voll ausgelastet waren. Wir benötigen nun die neuen Anlagen im Bau. Diese müssen zeitnah technisch in Betrieb genommen und mit kompetenten Mitarbeitenden besetzt werden, damit wir weiter entlang der Bedürfnisse unserer Kunden wachsen können. Dies hat für mich momentan Priorität. Auch der operative Cashflow ist natürlich wichtig, da durch die hohen Investitionen vorerst noch viel Geld abfliesst.
Wie wird in einer derartigen Wachstumsphase die Profitabilität aufrechterhalten?
Für mich kommt derzeit die Effektivität vor Effizienz. Mein Fokus liegt darauf sicherzustellen, dass unsere Mitarbeitenden gut ausgebildet werden und die Prozessabläufe richtig umsetzen können. Danach werden wir an der Effizienz arbeiten, was sich letztendlich auf die Profitabilität auswirken sollte. Es wäre fatal, wenn ich jetzt auf Profitabilität drängen würde, ohne zuvor die Effektivität zu erreichen. Aus diesem Grund ist eine hohe EBITDA-Marge momentan für mich weniger wichtig.
Für das Jahr 2024/25 rechnen Sie mit der Inbetriebnahme neuer Anlagen und einer Wiederaufnahme des Wachstums. Sind Sie auf einem guten Weg, die gesteckten Ziele im neuen Geschäftsjahr zu erreichen?
Ja, mit der Inbetriebnahme der neuen Anlagen erwarten wir einen Nettoumsatz, der über dem Vorjahresniveau liegt. Hinsichtlich der Rentabilität haben wir keine konkreten Aussagen gemacht. Es wird sich zeigen, wie schnell sich Effektivität und danach Effizienz einstellen.
Das Unternehmen baut die Produktionskapazitäten signifikant aus, um den Umsatz bis 2028 zu verdoppeln.
Ich habe nicht gesagt, dass wir den Umsatz verdoppeln werden. Wir beabsichtigen, die Produktionskapazitäten im hochqualitativen Segment zu verdoppeln. Mit den neuen Kapazitäten ist ein Wachstum von 17 Prozent über einen Zeitraum von fünf Jahren möglich, was rechnerisch zu einem Umsatzmultiplikator von 2,2 führen würde.
Kann das Wachstum noch beschleunigt werden?
Ja, weil die neuen Anlagen so konzipiert sind, dass die Infrastruktur und das Gebäude jeweils bereits für eine weitere Expansionsstufe vorhanden sind. Wenn innovative Produkte starkes Wachstum verzeichnen, könnten wir gezwungen sein, unsere Kapazitäten rasch weiter auszubauen, um den Kundenbedarf weiter zu decken. Persönlich würde es begrüssen, zuerst die neuen Anlagen in Betrieb zu nehmen und dann zu evaluieren, was bei einem weiteren Ausbau noch verbessert werden kann.
Welche weiteren Vorteile bringt dieses Vorgehen?
Dadurch hätten wir auch Zeit, genügend Kapital zu generieren, um den weiteren Ausbau selbst zu finanzieren. Wenn der Markt jedoch die Expansion früher fordert, könnte es sein, dass wir zusätzliches Kapital von extern benötigen und eventuell eine weitere Kapitalerhöhung durchführen müssten. Aus diesem Grund habe ich den Free-Float erhöht, damit auch institutionelle Investoren an einer solchen teilnehmen können.
Sie halten insgesamt 64,74 Prozent an Dottikon ES über die Evolma Holding und planen, den Free Float weiter zu erhöhen, jedoch ohne die 60-Prozent-Marke zu unterschreiten. Wann können wir mit den nächsten Schritten rechnen?
Eigentlich habe ich nicht vor zu verkaufen. Ich wollte zwei Drittel besitzen, um alles kontrollieren zu können. Aber dann musste ich erkennen, dass ich das Unternehmen nicht in seiner Entwicklung einschränken sollte. Auch mit 60 Prozent kann ich sicherstellen, dass keine unüberlegten Änderungen in die Statuten aufgenommen werden.
An welchen Investoren sind Sie interessiert?
Ich suche Investoren, die langfristig unternehmerisch denken. Ich möchte nicht, dass jemand auf Kosten des Unternehmens kurzfristig Geld verdient. Ich möchte Investoren haben, die auch in schwierigen Zeiten nach Lösungen für das Unternehmen suchen.
Die Eigenkapitalquote betrug am Ende des Geschäftsjahres hohe 74 Prozent. Wie wichtig ist Ihnen dieser niedrige Verschuldungsgrad?
Mein Ziel ist es, letztendlich wieder keine verzinslichen Fremdkapitalverbindlichkeiten zu haben. Wir waren unabhängig von den Banken. Das wollen wir in der Zukunft auch wieder sein. Jetzt haben wir eine Kreditlinie von 130 Millionen Franken zu rund 1 Prozent eingerichtet und bereits 100 Millionen davon gezogen.
Aufgrund des Gewinnrückgangs hat das Unternehmen erneut auf die Ausschüttung einer Dividende verzichtet und stattdessen beschlossen, das Geld in das Unternehmen zu reinvestieren. Welche Dividendenstrategie verfolgen Sie?
Der Gewinnrückgang war nicht der Grund, warum wir keine Dividenden ausgeschüttet haben. Unsere Dividendenpolitik sieht vor, dass wir überschüssige Liquidität ausschütten, wenn wir sie nicht für betriebsnotwendige Investitionen zur Förderung des Wachstums benötigen. Wenn man eine Kapitalerhöhung macht oder in Erwägung zieht, sollte man auch konsequenterweise keine Dividenden ausschütten, auch wenn dies regelmässig von Finanzinvestoren gefordert wird.
Die Aktien von Dottikon ES sind in den letzten fünf Jahren um 392 Prozent gestiegen. Was sind Ihre Gedanken zu dieser Kursentwicklung?
Die damit verbundene Vermögensteuer belastet mich. Ich möchte nicht klagen. Aber wenn das Vermögen im Unternehmen gebunden ist, habe ich keinen direkten Zugriff darauf und ich bezahle mehr Steuern als ich Lohneinkommen habe.
Wie beurteilen Sie die derzeitige geopolitische Lage?
In der Realität gibt es seit längerem eine zunehmende Rivalität zwischen den USA und China. Trump hat diesen Kampf um Einfluss und Macht während seiner Präsidentschaft zum ersten Mal offen thematisiert und Biden hat das weitergeführt.
Welche Auswirkungen hat die neue Blockbildung - USA und Europa vs. China und Russland - aus Ihrer Sicht auf das Unternehmen?
Als Unternehmer besteht, wie für Länder auch, die Gefahr des Opportunismus. Das Bankgeheimnis war beispielsweise eine gute Sache, aber wenn man es opportunistisch verfolgt, richtet es viel Schaden an. Letztendlich ist es strategisch besser, sich für Amerika zu entscheiden, da es freiheitlicher ist und einem eine Mitspielmöglichkeit bietet.
Gibt es für Dottikon ES ein China-Risiko?
Wir haben mit unseren Kunden die Lieferketten analysiert, um festzustellen, wie gross die China-Abhängigkeit ist und wo wir Massnahmen wie verstärkte Lagerhaltung oder Rückwärtsintegration ergreifen müssen. Das bedeutet nicht, dass wir nichts mehr aus China beziehen wollen. Da gibt es zuverlässige Lieferanten. Aber wir streben nach mehr Diversifizierung, um auf das zunehmende geopolitische Risiko zu reagieren. Dies hat auch einen Preis. In den USA ist vor dem Hintergrund des Biosecure Act von kleinen Biotech-Unternehmen bis hin zu grossen Pharmaunternehmen das Bewusstsein vorhanden und es wird aktiv agiert.
Welche Bedeutung hat dieser Konflikt Ihrer Meinung nach für die Schweiz als Wirtschaftsstandort?
In der Machtpolitik werden Rohstoffe, Energie und Rüstungskapazitäten benötigt. Die Schweiz hat keine Rohstoffe. Mit Energie sollten wir uns selbst versorgen können. Hier spielt nebst der Wasserenergie die Kernenergie eine wichtige Rolle. In Bezug auf die Rüstungsindustrie verfügen wir über wichtiges Know-how, welchem wir Sorge tragen sollten. Im Zweifelsfall müssen wir uns mehr auf Amerika ausrichten, wenn Europa in Bereichen wie Energie oder Rüstung zurückbleibt.
Woran krankt Europa?
Wenn es schlechter läuft, neigen die Wähler dazu, eine der beiden extremen Aussenpositionen zu wählen. Und dann findet man keine Lösungen mehr. Wir sehen es in Frankreich oder Deutschland, wo der Zusammenhalt bröckelt. Es liegt in der Verantwortung der gemässigten Mitte, eine wirtschafts- und gesellschaftsfreundliche Politik zu verfolgen. Wenn man nur die eigene Klientel bedient, ist das Stimmenkauf, moderne Korruption.
Pierluigi Macor hat in den letzten drei Jahren im Auftrag von Dottikon ES die Entstehung der neuen Pharmawirkstoff-Produktionsanlagen fotografisch begleitet. Was hat Sie dazu inspiriert, dieses Projekt zu ermöglichen?
Für den Geschäftsbericht arbeiten wir oft mit Künstlern zusammen, die sich ihrerseits dadurch auch entfalten können. Der Fotograf Pierluigi Macor beherrscht ein Handwerk, das die ganze Bandbreite des Surrealen bis zum Menschlichen in der Tiefe bietet. Sein Werk zeigt eine tief empfundene Wertschätzung den Menschen gegenüber, die handwerklich arbeiten, ob auf der Baustelle oder in unserer Produktion. Die Vielschichtigkeit seiner Fotografien regt zum Nachdenken an.
Markus Blocher hat sein Chemiestudium an der ETH im Jahr 2000 mit dem Doktorat abgeschlossen und war anschliessend drei Jahre Unternehmensberater bei McKinsey. Im Jahr 2003 wurde er Geschäftsführer des Chemieunternehmens Dottikon ES, das er im Jahr 2005 an die Börse führte. Er ist Mehrheitsaktionär des Unternehmens.
7 Kommentare
der apfel fällt nicht weit vom stamm
Die Aussagen des Herrn Markus Blochers zu Energie und "Klimawandel" sind mutig. Ich vermute sein Vater hätte dies noch deutlicher formuliert. Vermutlich wird die Firma nicht umhin kommen analog der Deutschen Chemie Produktionsanlagen in Länder zu verlagern in denen es keinen "Klimawandel" gibt.
Problematisch ist die Aussage das er Aktionäre sucht die "langfristig unternehmerisch denken". Die grossen institutionellen Investoren bewerten Unternehmen nach den erwarteten, abgezinsten künftigen Mittelzuflüssen. Damit werden die Zukunftsaussichten berücksichtigt.
Im Klartext heisst dies das es sein Unternehmen nicht sehr profitabel ist.
Als auch vormaliger Unternehmer eine klare und realistische Analyse. Lieber schränkt man sich selber etwas ein wenn es um die Gesundheit des Unternehmens geht. Die Einstellung zur Klimafrage ist nicht negativ sondern entspricht der Machbarkeit. Mit ideologischen Träumereien infolge fehlendem Wissens ist niemandem gedient. Die Realität wird uns auch in dieser Frage noch einholen.
Die Haltung zum Klimaschutz finde ich äusserst bedenklich. Da bedient sich Dottikon ES also weitere Jahrzehnte an Ressourcen, deren Auswirkungen die Allgemeinheit belasten. Auch Herrn Blochers Kinder.
Wissen Sie überhaupt von was Sie sprechen? Kennen Sie die Branche und deren Bedeutung?