Die mögliche Rückkehr des republikanischen Ex-US-Präsidenten Donald Trump ins Weisse Haus stand im Mittelpunkt der Jahrestagungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. Bei öffentlichen Seminaren und Podiumsdiskussionen oder hinter verschlossenen Türen bei Abendessen drehte sich die Diskussion immer wieder um die US-Präsidentschaftswahl, die weniger als zwei Wochen entfernt ist.

«Alle reden über die US-Wahlen und warten mit angehaltenem Atem», sagte beispielsweise Malaysias zweiter Finanzminister Amir Hamzah Azizan in einem Interview. Das Rumoren liegt an den völlig unterschiedlichen Visionen der beiden Kandidaten für die grösste Wirtschaftsmacht der Welt. Manche sehen eines der erheblichsten Risiken für die globale Stabilität heranziehen, neben Kriegen wie jenem in der Ukraine oder im Nahen Osten. Vizepräsidentin Kamala Harris steht allerdings vor allem für Kontinuität, während Trump droht, den Welthandel noch stärker als in seiner ersten Amtszeit auf den Kopf zu stellen. Er will Zölle von 60 Prozent gegenüber China und bis zu 20 Prozent gegenüber alle anderen erheben.

Die politischen Ausrichtungen liegen so weit auseinander, dass sie eine Quelle «hoher Unsicherheit» darstellen, wie ein hochrangiger IWF-Beamter es ausdrückte - dies zu einer Zeit, in der die Weltwirtschaft ansonsten auf dem Weg zu einer sanften Landung ist und die Anleger im Allgemeinen optimistisch sind. «Märkte hassen Unsicherheit, und die grösste Unsicherheit von allen hängt über diesen Treffen: Wer wird der nächste Präsident der Vereinigten Staaten sein?», sagte Josh Lipsky, Direktor des GeoEconomics Center des Atlantic Council in Washington. «Es ist für alle wichtig», schob er nach.

Am Rande des Treffens gab es zahlreiche Veranstaltungen für die Teilnehmer, die in das Ratespiel um die Wahl vertieft waren. Die US-Grossbank Goldman Sachs veranstaltete ein Kunden-Dinner mit der Keynote des Meinungsforschers Nate Silver. Zu den Gästen des Institute of International Finance gehörte Mike Pompeo, der als Trumps Aussenminister fungierte. Bei einem Investorenseminar von JPMorgan Chase & Co. mit einer Sitzung zum Thema «Ist ein Trump-Sieg unvermeidlich?» standen unter anderem Jim Messina, stellvertretender Stabschef der Obama-Regierung, und der leitende Trump-Berater Scott Bessent auf der Agenda.

Finanzdiplomaten achteten im Allgemeinen sehr darauf, nicht so zu klingen, als würden sie einen Kandidaten dem anderen vorziehen. Und die meisten versuchten, Trump überhaupt nicht namentlich zu erwähnen. Dennoch versuchten einige, ein zuversichtlich anmutendes Bild zu zeichnen, unabhängig davon, wer gewählt würde. Sie betonten die Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft und die Tatsache, dass Trumps erste Amtszeit bereits Hinweise darauf gab, wie man mit ihm verhandeln sollte.

Pakistans Finanzminister: «Also alle Mann an Deck»

Der pakistanische Finanzminister Muhammad Aurangzeb sagte, sein Land werde sicherstellen, dass die USA unabhängig von den politischen Entwicklungen ein wichtiger Handelspartner bleiben. Das sei unter «verschiedenen neuen Regierungen» der Fall gewesen, betonte er in einem Interview und zeigte sich entschlossen: «Also alle Mann an Deck von unserer Seite, um sicherzustellen, dass das so bleibt.»

Der in Washington ansässige IWF und die Weltbank symbolisieren eine Ära kaum angefochtener amerikanischer Vormachtstellung in der Weltwirtschaft. Diese Position steht nun vor neuen Herausforderungen, auch seitens der BRICS-Gruppe der Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Ihre Führer trafen sich diese Woche in Russland, wo Gastgeber Wladimir Putin eine neue «multipolare Welt» begrüsste.

Obwohl Donald Trump in der Vergangenheit gegenüber vom Westen geführten multilateralen Institutionen skeptisch war, zeigte sich Weltbankpräsident Ajay Banga optimistisch, dass der republikanische Kandidat – falls er gewählt wird – den Wert dieser Institutionen erkennen würde, anstatt sich für einen Abgang der USA zu entscheiden.

«Warten wir ab, was bei den Wahlen herauskommt», sagte Banga, der vom demokratischen und amtierenden US-Präsident Joe Biden nominiert wurde. «Lasst uns der Präsidentschaft mit dem Respekt entgegentreten, den sie verdient.» Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), sagte, wer auch immer die Wahl gewinnt, sollte vorsichtig mit seinen Handelspartnern umgehen. «Zeiten der Beschränkungen und Barrieren waren weltweit keine Zeiten des Wohlstands», mahnte sie bei einer Veranstaltung in der US-Hauptstadt. Wer der nächste US-Präsident werde, «sollte das zumindest im Hinterkopf behalten».

Gavekal Research – ein auf China spezialisiertes Beratungsunternehmen – veranstaltete am Mittwochabend in einem Steakhouse in Washington eine Diskussion, die sich ebenfalls um Handelspolitik und Zölle im Falle eines Trump-Sieges drehte. Die Auffassung unter den Rednern und im Publikum, das grösstenteils aus Führungskräften der Finanzbranche bestand, war, dass Trump derzeit in der Pole-Position ist. «Die Leute haben uns gesagt, dass er immer noch sehr wütend ist, weil Covid und Xi Jinping ihn die letzte Wahl gekostet haben», sagte der Forschungsleiter des Unternehmens, Arthur Kroeber. Also werde Trump, sollte er Präsident werden, mit einer entsprechend sehr negativen Einstellung auftreten.

(Bloomberg)