1,9 Billionen Dollar, und wahrscheinlich noch 3 weitere Billionen dazu: Mit diesen Beträgen will Präsident Joe Biden die coronageplagte Wirtschaft der USA neu in Gang bringen. In Europa will Chefkommissarin Ursula von der Leyen einen Stützungsfonds samt einem Green Deal auf den Weg bringen. Und in den Schwellenländern wird wieder auf Hochtouren geplant, investiert und gebaut.
Wie sich die monumentalen Fiskalprogramme vieler Länder auf Staatshaushalte, Steuern und Zinsen auswirken, ist eine Sache. Eine andere ist, dass viel von diesen Mitteln in die Infrastruktur fliessen wird. Spätestens dort wird es spannend für Anlegerinnen und Anleger, denn der sehr diverse Sektor hat Aufwärtspotential, wenn die Welt endlich aus der Pandemiekrise herausstolpert.
Beziehungsweise, der Infrastruktursektor profitiert schon jetzt von Nachfrage, Wachstumschancen und gleichzeitig Stabilität. In der Infrastruktur entwickeln sich auch viele Zukunftstrends wie autonome Verkehrsysteme, smarte Technologien oder erneuerbare Energien. Und: Infrastrukturaktien bieten einen gewissen Schutz vor Inflation.
Laut dem Datenlieferanten Preqin wollen fast alle institutionellen Investoren 2021 stärker in Infrastruktur anlegen. Und diese nicht nur in Direktanlagen, sondern auch in börsenkotierte Firmen. cash.ch beleuchtet Aktien und ETF, die von diesen aktuell guten Aussichten profitieren können.
Vulcan Materials: Der Biden-Plan hilft
Sollte in den USA Geld in die Ausbesserung der zum Teil desolaten Strassen fliessen, wird Vulcan Materials aus Birmingham im Staat Alabama viele Aufträge erhalten. Der Produzent von Kies, Schotter und Sand dürfte schon deswegen profitieren, weil die Biden-Regierung amerikanische Firmen bevorzugt. Rund die Hälfte der Umsatzes bei Vulcan Materials kommt von Regierungsaufträgen, der Rest aus dem privaten Bausektor.
Der Aktienkurs von Vulcan Materials hat sich seit dem Corona-Knick vor gut einem Jahr schon von 84 auf 165 Dollar fast verdoppelt und übertrifft bereits das Niveau von vor der Krise. Werden die US-Pläne konkreter, könnte die Aktie noch sehr profitieren.
Die «Enabler»: Caterpillar oder United Rentals?
Von einen Infrastrukturboom profitiert nicht nur der Bau, sondern auch der Abbau und Handel mit Rohstoffen. Auf beide Trends kombiniert, und zwar weltweit, kann man beim US-Baumaschinenhersteller Caterpillar setzen. Dieser "Enabler" – also eine Firma, die technologische Grundlagen für wichtige Entwicklungen zur Verfügung stellt – ist an der Börse schon sehr gut gelaufen.
Bei 224 Dollar ist der Kurs rund 80 Dollar über dem Stand vor der Coronakrise. Der amerikanische Equipment-Vermieter United Rentals hat an der Börse eine ähnlich gute Entwicklung wie Caterpillar hinter sich, könnte aber noch mehr als Caterpillar profitieren, denn er vertreibt auch gebrauchte Bagger, Planierraupen oder Muldenkipper. In wirtschaftlich angespannten Zeiten dürften solche "Occasionen" gefragt sein.
Breiter abgestützt investieren börsengehandelte Fonds, also Exchange Traded Funds (ETF). Ein ETF wie beispielsweise der "U.S. Infrastructure ETF" der Blackrock-Tochter iShares enthält 153 Positionen, vor allem Energiegesellschaften, Industrieunternehmen und Eisenbahnlinien. Der ETF hat innerhalb von zwölf Monaten schon 71 Prozent Kursgewinn erreicht.
Iberdrola und Vestas hoffen auf «Green Deal»
Als defensiver Energietitel wiederum kann der spanische Iberdrola-Konzern von einem europäischen Green Deal profitieren. Das Unternehmen setzt verstärkt auf Wind- und Wasserkraft. Neben Spanien sind auch Portugal, Lateinamerika, die USA und das Vereinigte Königreich Märkte von Iberdrola. In Texas beispielsweise liefen im Februar die zur Iberdrola-Tochter Avangrid gehörenden Windkraftanlagen weiter, während anderswo die Stromproduktion ausfiel. Die Aktie hat zum Vorkrisen-Stand noch Aufholpotential.
Wer noch mehr in Windkraft investieren will, kommt um den skandinavischen Anlagenhersteller Vestas nicht herum. 2020 verdreifachte sich der Kurs auf über 1500 Dänenkronen (circa 225 Franken). Dass der Kurs zuletzt auf rund 1000 abgesackt sind, ist bei der eher teuren Aktie eine Kaufgelegenheit.
Nicht nur die EU wird so genannt saubere Energien fördern, auch die US-Regierung legt auch starkes Augenmerk auf Klimapolitik. Zusammengefasst sind Unternehmen, die davon profitieren, beispielsweise im Lyxor-ETF "New Energy (DR) UCITS" mit 40 der weltweit grössen kotierten Unternehmen, die sich erneuerbaren Energien widmen. Der Chart zeigt ein Plus von 60 Prozent bei der Ein-Jahres-Performance.
BKW, Gurit, Landis+Gyr: Schweizer Small und Mid Caps sind dabei
Bei den Energieunternehmen haben seit längerer Zeit auch die Bernischen Kraftwerke BKW viel Zuspruch von Analysten erhalten. Das Schweizer Unternehmen verdient auch gut am Stromhandel. Innerhalb von zwölf Monaten ist der Kurs um ein Drittel angestiegen und dürfte noch Potential haben.
Aus dem Windenergie-Trend und den Subventionen, die diese Stromgewinnungstechnologie noch erhalten könnte, dürfte auch Gurit Nutzen ziehen. Das Unternehmen entwickelt die Kunststoffe für Rotorblätter. Der sehr steile Kursverlauf bis Mitte vergangenen Januar mit einer Fast-Verdreifachung des Aktienpreises seit dem Corona-Knick hat viele am Markt etwas unsicher gemacht. Die Korrektur von 2800 auf aktuell 2315 Franken bietet aber neue Chancen bei dieser häufig gelobten Industrie-Aktie.
Mit der Verbreitung "smarter" Stromzähler könnten Infrastruktur-Investitionen auch Landis+Gyr die Auftragsbücher füllen. Das Unternehmen, seit 2017 an der Börse, kämpft allerdings mit Gegenwind. Der Kursverlauf 2020 und 2021 ist noch kein Grund zur Freude. Immerhin hat das Unternehmen Anfang 2021 Anerkennung erfahren, nachdem es realistischere Ziele veröffentlichte. Dennoch: Die Credit Suisse führte vergangenes Jahr in einer Studie mit 35 "Supertrend"-Aktien in Sachen Infrastruktur als einzige Schweizer Aktie Landis+Gyr auf.
LafargeHolcim, Sika und Schindler: Gute Position
An der Schweizer Börse gehören von den grosskapitalisierten Titeln LafargeHolcim, aber auch Sika und Schindler zu den Infrastruktur-Aktien mit einer guten Marktposition. Als grösster Zementhersteller der Welt wird LafargeHolcim von Baubooms in fast allen Teilen der Erde weiter profitieren. Der Baustoffe- und Bauchemiespezialist Sika hat gute Aussichten auf überdurchschnittliches und profitables Wachstum. Ausserdem gelingt Sika die Integration der französischen Parex gut. Lift- und Rolltreppenbauer Schindler wiederum hat 2,5 Milliarden Franken Liquidität für Zukäufe in einem immer noch sehr gut wachsenden Markt.
Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 20 ist LafargeHolcim am attraktivsten bewertet. Schindler mit einen KGV von 33 und Sika mit KGV 45 sind deutlich teuer. Die grossen Wachstumsaussichten rechtfertigen aber auch diese Bewertungen. Mit einem Kurs von fast 30 Franken am oberen Ende des Erwartbaren angekommen sein dürfte hingegen der Elektrotechnik- und Automatisierungskonzern ABB.
Megastädte und smarte Infrastruktur
Ein wichtiger Treiber bei Infrastrukturentwicklungen sind Städte. Schon jetzt lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in urbanen Ballungsräumen, in 30 Jahren dürften es schätzungsweise mindestens zwei Drittel sein. Infrastruktur ist letztlich auch mehr als nur Bau und Strom. Der Ausbau der Infrastruktur findet in sehr vielen Bereichen der Wirtschaft statt. Mit dem "Lyxor MSCI Smart Cities ESG Filtered (DR) UCITS ETF" investieren Anlegerinnen und Anleger in weitweit vieles, was im Infrastrukturausbau vor allem von Städten "smart" ist: Konnektivität, Gebäude, Haustechnik, aber auch Mobilität, Abfall- und Abwassermanagement oder Energie. Der ETF hat innerhalb eines Jahres knapp 60 Prozent Rendite erzielt.
Der "Emerging Market Infrastructure UCITS ETF" von iShares investiert in Schwellenländern. Der ETF legt einen seiner Schwerpunkte auf Flughafenbetreiber in Asien und Lateinamerika: Dies zeigt, dass auch das ganze Transportwesen aus Teil des Infrastrukturtrends gesehen wird. Der Reiseverkehr ist wegen der Pandemie immer noch in der Krise, und der Güterumschlag hat durch Corona zwischenzeitlich auch massiv Einbussen erlitten. Dies mag ein Grund sein, dass der iShares-Infrastruktur-ETF für aussereuropäische Länder in den vergangenen zwölf Monaten nur um 17 Prozent zugelegt hat.