Martin soll die Bilanz der Credit Suisse sichten und entscheiden, welche Teile behalten und welche abgewickelt werden. Nur wenn sie Erfolg hat, dürfte der CEO sein Versprechen an die Steuerzahler einhalten können, dass ihnen die staatlich eingefädelte Fusion der beiden Schweizer Grossbanken keine Verluste bescheren wird. Die Herausforderung für Martin, die in die Geschäftsleitung der UBS wechselt, wird darin bestehen, die Verluste aus Verkäufen und Abwicklungen in einer wahrscheinlich grossen und komplexen Abbaubank zu minimieren. Die ersten 5 Milliarden Franken solcher Verluste muss die UBS schultern.
Bei Einbussen darüber hinaus greift eine Staatsgarantie in Höhe von 9 Milliarden Franken. Ein solcher Fall wäre politisch überaus heikel und könnte zudem die Boni der Banker gefährden. Die Schweizer Regierung hat die UBS angehalten, die mit dem Verkauf unerwünschter Credit-Suisse-Teile befassten Manager auch durch ihre Vergütungsstruktur dazu anzuregen, die Gewinne zu maximieren und Verluste zu vermeiden, mit denen die Staatsgarantien in Anspruch genommen würden. Ermotti nannte solche Einbussen auf einer Veranstaltung am Freitag aussergewöhnlich unwahrscheinlich.
Die Bank werde alles in ihrer Macht stehende tun, um keine Hilfen des Steuerzahlers in Anspruch nehmen zu müssen. Trotz des Optimismus: Zeit für eine eingehende Prüfung der Credit-Suisse-Bücher hatte die UBS noch nicht. Martin arbeitet seit 2012 für die UBS. Damals hatte der Konzern gerade damit begonnen, die Investmentbank zu stutzen, nachdem die Finanzkrise dem Geschäftsbereich ebenso zugesetzt hatte wie Verluste, die aus Deals des Skandalhändlers Kweku Adoboli resultierten.
Martin steht für eine schnelle Umsetzung
Ermotti stand damals an der Spitze der Bank und trieb die Fokusverlagerung vom Investmentbanking auf das weniger volatile Geschäft des Wealth Managements voran. Martin konzentrierte sich als Stabschefin von Andrea Orcel, dem damaligen Leiter der UBS- Wertpapierabteilung, darauf, “die gute Bank von der schlechten Bank” zu trennen, wie sie sich 2018 in einem Interview mit Waters Technology erinnerte. “Wir mussten entscheiden, was wir mit dem Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren tun wollten und auch mutig definieren, was wir nicht tun wollten”, führte sie im Gespräch mit der Online-Nachrichtenseite aus. “Die Umsetzung war schnell — es war schmerzhaft, aber es war schnell.” Martins Ex-Chef Orcel steht inzwischen der italienischen UniCredit SpA vor.
Nach ihrem Job als Orcels Stabschefin wurde Martin 2014 zum Chief Operating Officer der Investmentbank ernannt. Im Jahr 2019 erhielt sie zusätzlich die Rolle als Chefin des britischen Geschäfts der Bank und wurde 2020 zur Leiterin des Group Treasury der UBS bestimmt. Unter dem neuen CEO Ralph Hamers kam 2022 die Verantwortung als Chief Transformation Officer hinzu. Diese Rolle wurde jedoch im März 2023 gestrichen - stattdessen tritt Martin als Chefin der EMEA-Region der UBS-Geschäftsleitung bei und leitet die Abwicklung der nicht zum Kerngeschäft gehörenden Geschäftsbereiche der Bank.
Heute ist Martin eine der wenigen Führungskräfte aus dieser Zeit, die noch im Konzern sind. Im Fokus ihrer Arbeit steht nun die Sichtung der Verluste schreibenden Wertpapiersparte der Credit Suisse, wobei wiederum der Handel mit festverzinslichen Wertpapieren im Mittelpunkt steht. Die Credit Suisse hatte bereits vor dem Rettungsdeal einige Geschäftsbereiche in eine Abwicklungseinheit überführt.
Nimmt Herausforderungen an und fordert heraus
Die UBS dürfte jedoch einen viel umfassenderen Ansatz verfolgen, um die risikogewichteten Vermögenswerte der Investmentbank auf rund 25% des Konzernniveaus zu bringen. Die Bank hat signalisiert, risikoreichere Handelsgeschäfte einschränken zu wollen und im Handel sowie im Derivatebereich „äusserst selektiv“ vorzugehen. Zu den Bereichen, die sie beibehalten möchte, gehören die Stärken der Credit Suisse im amerikanischen Beratungs- und Technologiesektor.
Zudem will sich die UBS personell verstärken, um im Wealth-Geschäft die Kundengruppe der Technologieunternehmer besser ansprechen zu können. Aktuelle und ehemalige UBS-Kollegen Martins sehen die Managerin für schwierige Entscheidungen gut gerüstet. Als ehemalige Händlerin lasse sich Martin von technischen Details nicht beeindrucken, sagte ein ehemaliger Managementkollege.
Die ersten Erfahrungen im Bereich festverzinslicher Wertpapiere sammelte Martin bei der Deutschen Bank und später bei Morgan Stanley. Ein anderer ehemaliger UBS-Kollege, der mehr als ein Jahrzehnt mit ihr zusammengearbeitet hat, sagte, Martin sei gut darin, schwierige Entscheidungen zu treffen. Sie habe Erfahrung darin, wenig kapitalintensive Geschäfte der Bank von solchen zu trennen, die dies nicht seien.
Manche beschreiben sie als jemanden, der Herausforderungen annimmt und andere gerne herausfordert. Die UBS wollte Bloomberg für diesen Artikel kein Interview mit Martin gewähren.
(cash/Bloomberg)