Trotz des überraschenden Anstiegs der Teuerungsrate im Februar ist ein Ende der Zinserhöhungszyklus in der Schweiz allmählich greifbar. Der Markt preist wegen der Finanzmarktturbulenzen sogar bereits ein, dass die Schweizerische Nationalbank SNB auf Sicht von zwei Jahren die Leitzinsen wieder deutlich senken wird. 

Die Rendite der 10-jährigen Bundesobligationen fiel letzte Woche im Zuge der Credit-Suisse-Turbulenzen von 1,55 Prozent auf gut 0,9 Prozent, als ob die Schweizer Wirtschaft kurz vor dem Kollaps stehen würde. Gleichzeitig steht der Leitzins der SNB vor dem Leitzinsentscheid diesen Donnerstag noch bei 1 Prozent. Bis vor einer Woche wurde erwartet, dass die SNB diesen Leitzins bis im Herbst auf 2,50 Prozent erhöhen könnte.

Auch mit der Credit-Suisse-Rettung durch die UBS kann sich der Markt nur noch mit einer Erhöhung um 0,5 Prozent abfinden, bevor die SNB gemäss den 2-jährigen-Anleiherenditen die Zinsen rasch wieder senken wird. Die Rendite der 1-jährigen Schweizer Bundesobligation steht bei 1,4 Prozent, wohingegen diejenige der 2-jährigen bei 0,5 Prozent steht. Die Schweizer Zinskurve hat sich in den Finanzmarktturbulenzen der letzten Tage weiter "invertiert". 

Credit-Suisse-Rettung für SNB-Zinsentscheid zweitrangig

Für SGKB-Anlagechef Thomas Stucki ist aber die  Credit-Suisse-Rettung durch die UBS für den geldpolitischen Entscheid der SNB zweitrangig: "Die Probleme der CS haben mit den Zinserhöhungen der SNB nicht viel zu tun. Wichtiger für den Zinsentscheid ist daher die Inflationsentwicklung und die Konjunktur. Beide sprechen dafür, dass die SNB die Themen trennt und ihren Leitzins weiter erhöht", sagt er gegenüber cash.ch.

Auch für Raiffeisen-Anlagechef Matthias Geissbühler haben die Probleme der CS mit den Zinserhöhungen nicht viel zu tun. Im Zusammenhang mit der Sicherstellung der Finanzmarktstabilität habe die SNB andere Tools zur Verfügung - wie beispielsweise die Zusicherung von Liquiditätshilfen.

Klar ist insgesamt: Die SNB hat mit den Aktionen von Wochenende sicherlich versucht, die Finanzmarktstabilität zu erhöhen, sodass sich das Umfeld für die Geldpolitik nicht verändert und sie sich ganz auf sie Preisstabilität konzentrieren kann. "Die nächstenTage werden erst zeigen, ob dies erfolgreich ist", sagt Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, auf Anfrage von cash.ch.

Ähnlich wie Junius sieht es Swiss-Re-Chefökonomen Jérôme Jean Haegeli: "Die SNB kann sich nun wieder auf ihr Mandat der Inflationsbekämpfung konzentrieren. Ohne eine Lösung für den Bankenplatz wäre das globale Finanzmarktumfeld sicherlich extrem turbulent geblieben."

Leitzinserhöhung von 50 Basispunkten als Basisszenario

Die grosse Frage bleibt daher, wie stark die SNB die Zinsschraube weiter anzieht: Stucki von der SGKB rechnet damit, dass die SNB die Leitzinsen um 0,5 Prozent auf 1,5 Prozent erhöhen wird, da insbesondere die Entwicklung der Kerninflation der Notenbank nicht gefallen könne. Die Gefahr, dass die Inflation auf einem Niveau über 2 Prozent verharrt, nehme zu.

Auch Geissbühler sieht diesen Donnerstag eine Leitzinsanhebung von 50 Basispunkten. "Wir gehen davon aus, dass dies der letzte Zinsschritt der SNB sein dürfte", fügt er jedoch an. Die Rezessionsrisiken hätten - nicht zuletzt auch wegen den Verwerfungen im Finanzsektor - zugenommen. Zudem dürfte der Teuerungsdruck in den kommenden Monaten auch wegen Basiseffekten tendenziell etwas nachlassen.

Für Daniel Kalt, Chefökonom für die UBS in der Schweiz, dürfte die SNB ähnlich argumentieren wie die EZB letzte Woche. Die SNB dürfte am Donnerstag angesichts der jüngst gar wieder angestiegenen Inflation einen weiteren Dreh am Leitzins vornehmen. "Bislang sind wir von einem 50-Basispunkte-Schritt ausgegangen, es würde aber nicht überraschen, wenn es nur 25 Basispunkte werden", fügt Kalt auf Anfrage von cash.ch an.

Haegeli von der Swiss Re rechnet wie Stucki und Geissbühler hingegen damit, dass die SNB mit der EZB gleichzieht, um nicht einen schwächeren Schweizer Franken in Kauf zu nehmen. Der Zinsentscheid vom Donnerstag dürfte daher nicht viel überraschendes bieten, vielmehr steht der Ausblick betreffend der Inflation und der Konjunktur im Fokus. 

Obligationenmarkt: Ist die Rezessionsgefahr real?

Klar ist aber auch, dass sich die Finanzierungsbedingungen für Banken durch die Modalitäten der Übernahme verschlechtern. Dadurch dürften sich letztlich auch die Kreditvergabebedingungen für die Wirtschaft verschlechtern. "Die Inversion der Zinsstrukturkurve mag dies und eine geringere Konjunkturdynamik bereits andeuten", argumentiert Junius.

"Der Obligationenmarkt wird aktuell durch die Angst der Anlegerinnen und Anleger getrieben. Das gilt insbesondere für die Eidgenossen-Anleihen. Allzu viel sollte man daher in die aktuelle Zinskurve nicht hineininterpretieren", argumentiert hingegen der SGKB-Anlagechef. Wer eine 10-jährige Eidgenossen-Anleihe zu einer Rendite unter 1.00 Prozent gekauft habe, dürfe sich nicht wundern, wenn der Depotauszug Ende Jahr einen grösseren Kursverlust auf dieser Position ausweisen könnte.

Mit dieser Meinung steht Stucki wohl der Mehrheitsmeinung entgegen: "Der Bondmarkt signalisiert insbesondere in den USA schon seit längerer Zeit eine erhöhte Rezessionsgefahr", sagt Geissbühler. In der Schweiz ist die Zinskurve aktuell sehr flach - die Inversion bestehe momentan "nur" zwischen dem Leitzins und den übrigen Kapitalmarktzinsen. Darin spiegele sich die Markterwartung, dass die Leitzinsen gegen Ende Jahr bereits wieder sinken werden.    

"In der Vergangenheit ist einer Rezession oft eine Inversion der Zinskurve vorangegangen", sagt auch Kalt von der UBS. Derzeit signalisiere der Anleihenmarkt damit, dass das Risiko einer Rezession zugenommen hat. Es gelte zu beachten, dass "die Zinskurve dreizehn der letzten neun Rezessionen vorausgesagt hat".

"2023 ist nicht 2008, aber es zeigt sich klar, welche enormen Konsequenzen die Nullzinspolitik der Zentralbanken haben, insbesondere da diese viel zu lange mit einer Normalisierung der Geldpolitik gewartet haben", sagt Haegeli. Der Zinsschock sei nötig, um die Inflation zu bekämpfen. Der Chefökonom der Swiss Re erwartet ein weiteres Anziehen der Zinsschraube in den USA sowie in Europa und somit auch weitere Marktvolatilität.
 

ManuelBoeck
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