Mit Inflation ist es wie mit Nahrungsfetten - es gibt gute und schlechte. Anziehende Preise sind zunächst Ausdruck wirtschaftlicher Stärke. Sie destabilisieren nur leider auch den Konsum, und sie könnten jetzt zu schnellen Zinsanstiegen führen. Am Aktienmarkt reicht die Erwartung "schlechter" Inflation aus, um Verkäufe auszulösen. 

Es setzt sich mittlerweile die Einschätzung durch, wonach die 2021 stark angestiegene Teuerung kein ganz so rasch vorübergehendes Phänomen ist, wie dies über den ganzen Sommer hinweg beispielsweise von der amerikanischen Notenbank gebetsmühlenartig kolportiert wurde. Steigende Energie- und Rohstoffpreise und angespannte Lieferketten verstärkten die eine Hektik, die sich vor allem im Herbst 2021 an den Märkten bemerkbar machte.

Eine Brandmauer gegen Inflationsängste bilden aber Unternehmen, die Kosten weitergeben können, ohne gross Kundschaft zu verlieren. "Preissetzungsmacht sollte angesichts von steigenden Frachtkosten, teureren Rohmaterialien, Lieferkettenproblemen und einem beschleunigten Lohnwachstum ein noch wichtigeres Thema werden, wenn Überrenditen angestrebt werden", schreibt die UBS in einem Brief an Kunden, über den das Newsportal Marketwatch berichtet hat. 

Preissetzungsmacht plus Kurspotential

Zu insgesamt zehn Aktien, welche die Grossbank in der aktuellen Lage empfiehlt, gehört der US-Autoteilevertrieb Advance Auto Parts. In jener Branche gilt die Preissetzungsmacht als generell hoch. Menschen in den Hauptmärkten des Unternehmens, USA und Kanada, benutzten nach der Homeoffice-Phase ihre Autos wieder mehr und befeuern das Autoteile-Geschäft. Auch nach der nächsten Corona-Welle wird dies wieder eintreffen.

Die Aktie gehört zudem in eine Gruppe von Aktien, deren Kurspotential gemäss den UBS-Analysten zur Zeit mindestens 20 Prozent beträgt. Eine solche Kombination von stabiler Preissetzungsmacht und einem deutlichen "Upside" sieht die UBS auch bei der Derivathandelsplattform CME Group, dem Mischkonzern und Life-Science-Spezialisten Danaher, dem Ölförderunternehmen EOG Resources, dem Mietlager-Anbieter Extra Space Storage, dem Generatorenhersteller Generac Holdings oder dem Medtechunterehmen Teleflex. In der Inflationsschutz-Liste der UBS finden sich auch bekannte Namen wie das Softwareunternehmen Salesforce, der Sportartikelkonzern Nike und der Mega-Tech-Konzern Apple

Nike ist aus UBS-Sicht bei Sportartikeln derzeit die Nummer Eins in Sachen Marktbedeutung und könnte beispielsweise davon profitieren, dass weniger Rabatte gewährt werden, weil die Marke so begehrt ist. Einen vergleichbaren Vorteil beim Markenprestige hat auch Apple. Bei Apple allerdings überlagern die Zinsängste die Inflationsdiskussion stärker als bei anderen Titeln.

Die Apple-Aktie hat 2021 fast 40 Prozent zugelegt. Es gibt Spekulationen wonach Apple auf die eine oder andere Weise ins Geschäft mit Elektroautos einsteigen wird. Damit würden auch die Forderungen nach neuen, innovativen Apple-Geschäftsfeldern erfüllt.

Diskussion um Inflations-Dauer geht weiter

Für andere Aktien bleibt die Beobachtung der Inflation aber wichtig. Sollten sich Anzeichen einer entstehenden Lohn-Preis-Spirale ergeben - in der Deutung der Daten sind sich die Märkte noch nicht einig - würde dies die Märkte unter Druck setzen. Die Anlagegesellschaft Neuberger Berman nennt vier Gründe, weswegen die Inflation hartnäckiger ein Thema bleiben wird, als dies manchen lieb ist. 

Erstens könnte der in den USA seit 120 Jahren beobachtete Rückgang der Energiepreise durch die Klimadiskussion und damit die Verteuerung fossiler Brennstoffe gestoppt werden. Zweitens dürfte China die Inflation weniger dämpfen als bisher - dies wegen der Demographie, einer neuen, mehr auf kommunistischen Prinzipien basierten Wirtschaftspolitik sowie einer zusehenden Abkehr von der Billigproduktion.

Drittens, so Neuberger Berman, ist die Preisstabilität für Notenbanken nicht mehr so zentral wie früher. Die lockere Geldpolitik zeige, dass sich das Mandat der Notenbanken implizit und explizit geändert habe, schreibt die Investmentbank in einem Marktkommentar. Viertes könnten die Lieferkettenprobleme und damit die steigenden Logistikkosten länger anhalten als gedacht. Neuberger Berman hält es nicht für gesichert, dass die Engpässe Mitte 2022 mehr oder weniger aufgelöst sein werden. 

Schweizer Unternehmen können Preise weitergeben

Ein Schweizer Unternehmen mit einer erwiesenermassen guten Preissetzungsmacht bleibt Sika. Am Investorentag im Oktober 2021 bestätigte das Management, dass die Ebit-Marge 2021 erstmals auf über 15 Prozent steigen werde. Mit einem Zuwachs von fast 60 Prozent war die Aktie des Bauchemiespezialisten der zweitbeste Titel im Swiss Market Index im Jah r2021. Das Kurspotenzial beträgt laut Bloomberg noch immer 12 Prozent.

Wie schon die UBS-Empfehlungen für den US-Markt zeigen, sind es generell grosse Konsumgüterunternehmen, welche den Kunden Preise diktieren können. Bei den Schweizer Nahrungsmittel-Aktien hat Nestlé klar einen Vorteil. Für Goldman Sachs ist beispielsweise die Marke Nespresso, die für Kaffeekapseln und Kaffeezubereitung auf Premium-Level und entsprechend angehobene Preise steht, ein wichtiger Treiber des Geschäfts. Die Nestlö-Aktie notiert nach einem Anstieg von 24 Prozent im 2021 auf einem Rekordhoch.

Auch die Aktie von Barry Callebaut kann gemäss Kurszielprognose innert Jahresfrist um rund 10 Prozent zulegen. Beim Schokoladeproduzenten sorgt das so genannte Gourmet-Segment für stabile Umsätze. Allerdings muss Barry Callebaut mit der Dauer-Herausforderung Rohstoffpreise klarkommen, vor allem beim Kakao. 

Dieser cash-Artikel erschien zuerst am 07. Oktober 2021.