cash.ch: Herr Chu, was erwartet man von Präsident Donald Trump in Asien, vor allem in China und Hongkong, wo Sie leben?
Victor Chu: Man nennt es 'vorhersehbare Unberechenbarkeit'. Die ersten 100 Tage werden recht nützlich sein, um sich ein Urteil zu bilden. Dann wird es mehr Klarheit über die Richtung geben. Aber ich bin zuversichtlich, dass es nicht so negativ wird, wie alle erwarten. Die US-Regierung hat das Glück, viele sehr gute und intelligente Leute zu haben. Es mag Meinungsverschiedenheiten in der Geopolitik geben, aber letztendlich müssen die Regierungen den Menschen weltweit etwas bieten. Ohne Zusammenarbeit können wir viele der grossen Krisen und Probleme nicht in Angriff nehmen. In bestimmten Bereichen wird Trump transaktional vorgehen, in anderen Bereichen strategisch und selektiv. Letzten Endes wird ihm, genau wie uns, nicht nur sein nationales Interesse am Herzen liegen, sondern auch das globale. Hoffentlich.
Glauben Sie, dass es dieses Jahr ein Treffen zwischen Xi Jinping und Trump geben wird?
Ich bin sehr zuversichtlich, denn Präsident Trump hat bereits gesagt, dass er China besuchen möchte. Es gibt andere Gelegenheiten, sich zu treffen. China wird den Vorsitz der G20 haben. Oder warum nicht am Sommer-WEF in China?
Für Trump sind die Aktienmärkte sehr wichtig. Die gestiegenen Renditen am Obligationenmarkt als Folge der Inflationsaussichten der Fed haben aber die Börsen gedrückt. Werden diese Mechanismen einen dämpfenden Einfluss haben auf Trumps Politik?
Das ist eine sehr gute Frage. Es gibt eine gewisse Kluft zwischen Händlern und Ökonomen. Die Händler erwarten in den nächsten sechs Monaten einen boomenden Markt, weil die Stimmung in der Wirtschaft und in der Politik gut ist. Die Ökonomen haben eine andere Sicht. Wenn Trump tatsächlich die Zölle und Sanktionen durchsetzt, wird das inflationär wirken. Wichtiger ist aber die globale Staatsverschuldung. Sie liegt heute bei rund 100 Billionen Dollar, wovon etwa 37 Billionen auf die USA entfallen. Der Betrag wächst jedes Jahr um eine Billion. Das ist eine Herausforderung. Sie können zum Beispiel beobachten, was am Pfund-Sterling-Markt passiert (die Renditen der britischen Staatsanleihen waren Anfang Jahr angesichts der steigenden Staatsverschuldung Grossbritanniens gestiegen und hatten den Kurs des Pfundes gedrückt, Anm. der Red.). Auf längere Sicht wünscht sich der Markt hier etwas mehr Disziplin. Es gibt zwar immer noch den amerikanischen Exzeptionalismus, weil Amerika die grösste Volkswirtschaft der Welt ist. Anleger wollen aber nicht nur sehen, was morgen passiert, sondern auch langfristig.
Trump übernimmt eine US-Wirtschaft in gutem bis sehr gutem Zustand. Kann er hier quasi nur verlieren?
Nein. Er ist ein kluger Geschäftsmann. Er ist kein normaler Präsident, er kommt aus der Wirtschaft. Viele der Themen wird er also besser verstehen. Ich denke, wir müssen ihm einen Vertrauensvorschuss geben.
Sie sitzen im Verwaltungsrat der japanischen Bank Nomura und beim Flugzeughersteller Airbus, waren aber auch Verwaltungsrat beim Versicherer Zurich. Der Swiss Market Index hat letztes Jahr vor allem wegen der drei Index-Schwergewichte unterdurchschnittlich abgeschnitten. Wird der Schweizer Markt dieses Jahr besser performen?
Die Schweiz hat das grosse Glück, einige der besten Unternehmen der Welt zu haben. Ich meine dies in Bezug auf die Qualität der Managements, ihrer langfristigen strategischen Visionen, aber auch aufgrund der Tatsache, dass die Unternehmen ihre soziale Verantwortung sehr ernst nehmen. Die Menschen suchen in einer unsicheren Welt und in einem unsicheren Markt nach langfristiger Qualität. Im globalen Vergleich repräsentieren Schweizer Unternehmen immer noch höchste Qualität. Die Preise für Schweizer Unternehmen sind sehr attraktiv geworden aus Sicht eines langfristigen Investors, der Qualität sucht.
Welche Unternehmen meinen Sie?
Swiss Re oder Zurich gehören zu den besten Versicherungsunternehmen der Welt, unter den Vermögensverwaltern ist es sicher auch die UBS. Auch den Lebensmittelsektor müssen wir hier nennen. Ich lebe in Hongkong, und vom Aufwachen am Morgen bis zum Schlafengehen brauche ich Produkte von Schweizer Unternehmen. Meinen Morgenkaffee trinke ich von Nestlé. Ich esse Schweizer Schokolade.
Der starke Schweizer Franken ist aber eine Belastung für viele exportorientierte Schweizer Unternehmen...
Ja, aber es verschafft Ihnen auch einen Wettbewerbsvorteil bei Auslandsinvestitionen. Leider leben wir nicht in einer perfekten Welt. Im Grossen und Ganzen denke ich, dass die Schweiz sehr gesegnet ist mit der Lebensqualität, der Qualität der Unternehmen. Sie ist ein vertrauenswürdiger Partner auf internationaler Ebene, wegen ihrer Neutralität und dem bedingungslosen Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit.
Wie werden sich die Aktienmärkte in Asien, insbesondere in China, in diesem Jahr entwickeln?
Als Investoren sind wir ziemlich optimistisch, weil die Bewertungen sehr vernünftig sind im Vergleich zur Produktqualität und dem Potenzial. Man muss China als Teil Asiens betrachten. Klar, das Wachstum in China ist zurückgekommen. Aber ob es nun 4 oder 5 Prozent Wachstum sind: Es würde immer noch zwischen 30 und 35 Prozent des globalen Wirtschaftswachstums ausmachen. Wir müssen sicherstellen, dass diese Maschine und der Markt weiterlaufen.
Victor Lap Lik Chu ist seit 1988 CEO und Chairman der First Eastern Investment Group in Sitz in Hongkong. Sie ist eine der führenden Investmentgesellschaften in China mit Fokus auf Private Equity und Venture Capital. Chu investierte früh in China und baute sich dadurch viele Beziehungen auf höchster Ebene auf. Chu wurde 1957 in China geboren und kam in Alter von vier Jahren nach Hongkong. Er besitzt die britische Staatsbürgerschaft. Im Jahr 2011 gewann Chu zusammen mit Prof. Lawrence Summers und Jean-Claude Trichet den Weltwirtschaftlichen Preis des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Von 2008 bis 2014 war Chu Verwaltungsrat von Zurich Insurance. Er ist Mitglied des Verwaltungsrates von Airbus und Nomura. Chu präsidiert zudem den Rat des University College London.
2 Kommentare
Die fachliche Kompetenz dieser Person ist unverkennbar. Ganz tolles Interview mit Blick auf das Wesentliche.
Finde das Interview qualitativ sehr gut!