Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?
Patrick Beuret: Wie wir alle jeden Tag spüren hat die Corona-Pandemie neben den dramatischen Auswirkungen als weltweite Gesundheitskrise auch Auswirkungen auf die Konjunktur und die Finanzmärkte. Die Zentralbanken und die Regierungen haben allerdings mit ihrem raschen und entschlossenen Handeln die Finanzmärkte zunächst erfolgreich gestützt. Nichtsdestotrotz werden wir auch mit Blick auf die Finanzmärkte erst dann von einer echten Überwindung der Krise sprechen können, wenn die Gesundheitskrise gelöst ist und auch die Konjunktur nachhaltig wieder Fahrt aufnimmt. Bis dahin dürfte Corona das dominierende Thema bleiben.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Die kurzfristige Börsen-Entwicklung lässt sich angesichts der Unsicherheiten vor allem in Bezug auf die Entwicklung eines Impfstoffes nicht seriös prognostizieren. Unter den gegenwärtigen Bedingungen sehen wir aber das Aufwärtspotenzial als begrenzt an, insbesondere weil wir davon ausgehen, dass sich die Unternehmensgewinne in den meisten Branchen nicht rasch erholen werden und viele Aktien nicht wirklich günstig bewertet sind.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Sollte es gelingen, die Gesundheitskrise in den kommenden zwölf Monaten zu überwinden - und davon wird allgemein ausgegangen -, dann könnte der SMI durchaus insgesamt höher stehen. Allerdings dürften sich die Einzeltitel innerhalb des Index sehr unterschiedlich entwickeln.
Wir favorisieren in unseren Portfolios insgesamt Werte aus den Sektoren Pharma und HealthCare sowie technologische Marktführer. Die Krise hat sicher den langfristigen Umbruch der Wirtschaft hin zu mehr Digitalisierung beschleunigt. Allerdings dürfte Corona nicht der einzige disruptive Faktor sein, der die Märkte trifft. Populismus, der Aufstieg Chinas, Klimawandel und Technologie sind nur einige weitere Faktoren, die für Marktumbrüche und Volatilität sorgen dürften.
Einflussreiche Stimmen im Finanzmarkt warnen vor steigender Inflation. Glauben Sie auch, dass sich die Zinsen erhöhen werden? Und welche Folgen hätte dies für Investitionen in Aktien und Sachwerten?
Wir rechnen auf Sicht der kommenden 3-5 Jahre nicht mit einem kräftigen Anstieg der Inflation oder der Zinsen. Selbst, wenn die Inflation steigen würde, so glauben wir, dass die jüngsten Aussagen der US-Notenbank dahingehend zu interpretieren sind, dass die Notenbanken auch eine etwas höhere Inflation akzeptierten würden, bevor sie die Zinszügel anziehen. Entscheidend für Aktien wird es am Ende sein, ob wir wieder auf einen Wachstumspfad zurückkehren mit steigenden Gewinnen. Wenn wir weiter in die Zukunft blicken, ist ein stärkerer Anstieg der Inflation aber durchaus möglich. Und dann sollten Anleger frühzeitig vorsorgen, etwa mit inflationsgeschützten Anleihen.
Seit längerem schwächelt der Dollar gegenüber dem Franken. Was sind die Gründe für die tiefe Notierung des Greenbacks – und wie dürfte sich die US-Währung entwickeln?
Wir hielten den Dollar lange für hoch bewertet. Die jüngste Abwertung spiegelt wider, wie stark die US-Wirtschaft von der Pandemie getroffen wurde, und das in Kombination mit der Unsicherheit in diesem Wahljahr. Auf keinen Fall sollte man den Greenback aber wegen dieser eher zyklischen Gründe abschreiben. Wenn die akuten Unsicherheiten überwunden sind, dann könnte sich die Dollarschwäche rasch wieder in ihr Gegenteil verkehren.
Viele Pensionskassen senken ihre Rentenversprechen. Welche Strategien stehen Anlegerinnen offen, die auf anderem Wege ihre Altersvorsorge sichern wollen?
Wir leben in einer Welt, in der die Renditeerwartungen seriöserweise zurückgeschraubt werden sollten. Nichts anderes spiegelt die Senkung der Renditeversprechen seitens mancher Pensionskassen wider. Für mehr Rendite muss man anerkennen, dass man irgendwo an der Risikoschraube drehen muss. Wer über seine Pensionsvorsorge hinausgehend für das Alter vorsorgen möchte, sollte sich daher intensiv mit seinem individuellen Chance-Risiko-Profil auseinandersetzen. Unserer Meinung nach bieten globale Anleihen auch in Zukunft sehr interessante Möglichkeiten, um Mehrrenditen anzustreben.
Tatsächlich legen unsere internen Modelle nahe, dass Gold angesichts der niedrigen Realzinsen noch immer günstig bewertet ist. Die Rallye könnte unserer Meinung nach durchaus noch weiter gehen.
Der Beitrag erschien zuerst auf handelszeitung.ch unter dem Titel: ««Für mehr Rendite muss man an der Risikoschraube drehen»».