Im Landtag in Brandenburg wurde am Mittwoch wieder einmal über den Wolf diskutiert. Der AfD-Landtagsabgeordnete Lars Hünich hatte zwei Anträge eingebracht, es ging um Verfahren zur Entschädigung für vom Wolf gerissene Nutz- und Weidetiere sowie die Regulierung des Wolfsbestandes. Das Thema wird von der AfD seit längerem systematisch besetzt. Denn die in Europa gewünschte Wiederausbreitung des Raubtieres schürt Ängste. Deshalb nutzten rechtspopulistische Parteien solche Themen gezielt, sagen Meinungsforscher. "Auch die FPÖ hat den Wolf im Programm", meint der Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa, Herrmann Binkert, mit Blick auf Österreichs Rechtspartei. "Der Wolf ist für die AfD nach Migration und Corona vielleicht das dritte Thema, das sie versucht zu besetzen", sagt der Grünen-Fraktionschef in Brandenburg, Benjamin Raschke. Auch auf Bundesebene platziert die AfD den Wolf auf der Agenda, etwa mit einer Anfrage nach den Kosten für die Wolfs-Wiederansiedlung.

Insa-Chef Binkert sieht dahinter ein System, das zum Teil den Höhenflug der Rechtspartei erklären dürfte. "Die AfD ist einfach die Gegenpartei zu den Grünen", sagt er. "Alle Themen, mit denen die Grünen sich schwertun, werden von der AfD auf besondere Weise besetzt: Kernenergie, Migration, Wolf." Dazu komme, dass die Grünen die klassische Stadtpartei seien, die AfD aber vor allem in ländlichen Gebieten stark sei. Und dort wird das Thema Wolf wegen der Betroffenheit von Tierhaltern ganz anders diskutiert. "Die Menschen haben die Schnauze voll vom Wolf", ist Hünich als landwirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion überzeugt. In den Städten werde das Thema Wolf glorifiziert, in den Dörfern hätten Schafhalter oder ältere Damen beim Spazierengehen mit Hunden eben Angst.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der Deutsche Bauernverband: "Die bisherige Wolfspolitik ist ein Musterbeispiel für eine weltfremde, ignorante und abgehobene Politik, die nur auf Symbolik zielt und die wirklichen Probleme bewusst ignoriert", sagt Generalsekretär Bernhard Krüsken zu Reuters. "Das ist Treibstoff für Politikverdrossenheit – Wolf macht blau", fügt er in Anspielung auf die Parteifarbe der AfD hinzu. 2022 kam eine Studie der Universität Amsterdam zu dem Ergebnis, dass in Gemeinden, in denen es Wolfsangriffe gab, häufiger AfD gewählt wurde. "Die Parteien werden von den Landwirten und Bürgern im ländlichen Raum auch hinsichtlich ihrer Lösungskompetenz für die Probleme im ländlichen Raum und speziell auch beim Wolf bewertet", meint Krüsken.

Erfolg der Wolf-Ansiedlung ändert Debatte

Der AfD-Politiker Hünich wehrt sich gegen den Vorwurf, dass seine Partei nur Angst verbreiten wolle. "Wir brauchen eine Regulierung des Wolfes. Ich will ihn gar nicht abschaffen", betont er. Als Vorbild preist Hünich Schweden und das dortige Wolfs-Management. Anfang des Jahres wurden in dem EU-Land 75 Wölfe zum Abschuss freigegeben, soviele wie noch nie seit der Einführung der Lizenzjagd im Jahr 2010. Am besten sollten sich die Praktiker - Naturschützer, Jäger und Vertreter der Landwirtschaft - auf Lösungen einigen, meint Hünich.

Aus zwei Gründen hat sich die Debatte in den vergangenen Monaten aber auch bei den anderen Parteien verändert: Zum einen verschiebt sich die Debatte wegen des Erfolgs der Ansiedelung und der wachsenden Wolfspopulation vom blossen Schutz der Tiere stärker auf die Kontrolle und Sicherheitsmassnahmen. Mittlerweile plädieren auch bei den Grünen etwa Bundesumweltministerin Steffi Lemke oder Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel für einen härteren Ansatz. "Wir müssen Schaden stiftende Wölfe so schnell wie möglich entnehmen", sagte Vogel am Mittwoch in der Landtagsdebatte in Potsdam.

Zum anderen wissen alle Parteien mittlerweile, wie emotional das Thema zum Teil gesehen wird - und wie leicht es politisch ausgeschlachtet werden kann. Als die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vor kurzem Gespräche mit der EU-Kommission in Brüssel führten, stand der Wolf auf der Agenda. Im CSU-Regierungsprogramm für die Landtagswahl im Oktober heisst es: "Wölfe und andere Raubtiere müssen auf ein verträgliches Mass begrenzt und reduziert werden." Und für Freitag haben CDU/CSU im Bundestag eine Debatte über den Wolf beantragt - mit dem Titel "Menschen und Weidetiere schützen – Raubtiere bejagen".

Im kommenden Jahr stehen Landtagswahlkämpfe in drei ostdeutschen «Wolfs-Ländern» an: Brandenburg, Thüringen und Sachsen. "Es ist wahrscheinlich, dass die AfD das emotionalisierbare Thema im Wahlkampf wieder hochzieht, etwa mit AfD-Politikern, die sich neben blutig gerissenen Schafen zeigen", glaubt Grünen-Politiker Raschke. In der Slowakei warnt die rechtspopulistische Partei Sme Rodina übrigens vor den Parlamentswahlen Ende September gerade vor einer unkontrollierten Ausbreitung von Braunbären.

(Reuters)