Die hohe Inflation, steigende Zinsen und eine maue Weltkonjunktur haben die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr schrumpfen lassen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank voraussichtlich um 0,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. 2022 hatte es noch zu einem Wachstum von rund 1,8 Prozent gereicht. Auch im Schlussquartal dürfte die Wirtschaftskraft um 0,3 Prozent gesunken sein, erklärte die Behörde. Für das laufende Jahr erwarten Experten bestenfalls ein leichtes Wachstum, einige gehen sogar von einem weiteren Rückgang der Wirtschaftsleistung aus. «Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland kam im Jahr 2023 im nach wie vor krisengeprägten Umfeld ins Stocken», sagte die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand. «Die trotz der jüngsten Rückgänge nach wie vor hohen Preise auf allen Wirtschaftsstufen dämpften die Konjunktur.»

Die hohe Inflation schmälerte etwa die Kaufkraft der privaten Haushalte, die sich deshalb mit dem Konsum zurückhielten und 0,8 Prozent weniger ausgaben. Die Europäische Zentralbank (EZB) bekämpft die starke Teuerung mit dem höchsten Zinsniveau ihrer Geschichte. Das bekam die Baubranche besonders zu spüren: Sie erlitt einen Nachfrageeinbruch, da für viele potenzielle Häuslebauer der Traum von den eigenen vier Wänden wegen der teuren Finanzierungskosten platzte. Die Bauinvestitionen sanken um 2,1 Prozent. Den Exporteuren wiederum machte die schwache Weltkonjunktur zu schaffen. Hinzu kommen politische Unsicherheiten - vom Krieg in der Ukraine und in Nahost bis hin zu den haushaltspolitischen Turbulenzen in der Bundesregierung.

Wirtschaft schwächelt auch zum Jahreswechsel 2023/24

Die Aussichten für das neue Jahr bleiben getrübt. «Die wirtschaftliche Schwächephase hält auch zum Jahreswechsel 2023/24 an», erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. Die aktuellen Frühindikatoren deuteten «noch nicht auf eine rasche konjunkturelle Erholung» hin. «Die schwache Weltwirtschaft, hohe Zinsen und der Unsicherheit stiftende Politikkurs hängen der Wirtschaft als Klotz am Bein», sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. «Schon jetzt sieht es für 2024 nach einem erneut verlorenen Wachstumsjahr aus. Einige Banken-Ökonomen sind recht pessimistisch, darunter Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: »Für das gesamte Jahr 2024 erwarten wir weiter einen Rückgang um 0,3 Prozent.«

Im internationalen Vergleich schnitt Deutschland 2023 voraussichtlich deutlich schlechter ab als die anderen grossen EU-Staaten oder grosse Volkswirtschaften wie die USA oder China, erklärten die Statistiker. Als einziger grosser europäischer Staat habe Deutschland damit einen BIP-Rückgang verzeichnet. Im Vergleich zu 2019, also dem Jahr vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, stieg die Wirtschaftsleistung in Deutschland »verglichen mit den anderen grossen EU-Staaten am schwächsten«.

Trotz höherer Zinsausgaben und teurer Energiehilfen ist das Defizit im Staatshaushalt 2023 allerdings zurückgegangen. Die Ausgaben von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung überstiegen die Einnahmen um 82,7 Milliarden Euro, wie das Statistikamt in einer ersten Schätzung mitteilte. Das sind gut 14 Milliarden Euro weniger als 2022. Zwar seien erneut umfangreiche Zahlungen für die Gas- und Strompreisbremse geleistet worden. »Es entfielen aber grösstenteils die Ausgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, zum Beispiel für Tests und Impfstoffe", erklärte die Statistiker die Entwicklung. Das Minus entspricht einer Defizitquote von 2,0 Prozent des BIP, die damit erneut unter der EU-Obergrenze von drei Prozent blieb. Es fällt zudem erneut niedriger aus als in den Vorjahren, die von hohen Kosten infolge der Corona-Krise geprägt waren.

(Reuters)