Der grösste Produktionsanstieg seit mehr als einem Jahr deutet auf ein Ende der wirtschaftlichen Flaute in Deutschland hin. Im Februar stellten Industrie, Bau und Energieversorger zusammen 2,1 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Wachstum von 0,3 Prozent gerechnet, nachdem es im Januar bereits einen Anstieg von 1,3 Prozent gegeben hatte. Selbst von stark gestiegenen Kosten gebeutelte energieintensive Branchen wie die Chemieindustrie fuhren ihre Erzeugung kräftig nach oben. Womöglich kann Europas grösste Volkswirtschaft die lange sicher geglaubte Winterrezession noch vermeiden, sagten Experten. Einen kräftigen Aufschwung erwarten sie allerdings nicht.

«Das ist vielleicht noch keine Trendwende, könnte aber der Beginn einer solchen sein», sagte LBBW-Experte Jens-Oliver Niklasch. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht «Anzeichen für eine allmähliche konjunkturelle Bodenbildung». Allerdings kamen parallel zu den positiven Produktionszahlen auch überraschend schlecht ausgefallene Exportdaten: Wegen der sinkenden Nachfrage aus Europa und China fielen die deutschen Ausfuhren im Februar um 2,0 Prozent zum Vormonat - viermal so stark wie von Ökonomen vorausgesagt. Dies folgt auf einen aussergewöhnlich kräftigen Anstieg von 6,3 Prozent im Januar. Die Importe legten den zweiten Monat in Folge spürbar zu, was eine anziehende Binnennachfrage signalisieren könnte, ist doch die Wirtschaft auf viele Rohstoffe und Vorprodukte aus dem Ausland angewiesen.

Die Stimmung in der deutschen Exportindustrie hat sich zuletzt allerdings aufgehellt: Das Barometer für die Exporterwartungen legte im März auf den höchsten Stand seit zehn Monaten zu, wie das Münchner Ifo-Institut bei seiner Unternehmensumfrage herausfand. «Der Welthandel dürfte in den kommenden Monaten anziehen», sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. «Die deutsche Exportwirtschaft hofft davon zu profitieren.»

«Belastung lässt langsam nach»

Einen kräftigen Aufschwung lesen Experten allerdings nicht aus den Daten. «Die Belastung durch die zurückliegenden Erhöhungen von Leitzinsen und Energiekosten lässt langsam nach», sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. «Im Sommerhalbjahr dürfte die Rezession in Deutschland enden, wobei die ungelösten Strukturprobleme gegen eine kräftige Erholung sprechen.» Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) bleibt skeptisch. «Die Neuaufträge in der Industrie bewegen sich weiter auf niedrigem Niveau», sagte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen. «Strukturelle Probleme wie nach wie vor hohe Energiekosten, Fachkräftemangel und überbordende Bürokratie hemmen die Betriebe hierzulande weiterhin.»

Zudem schwächelte der private Konsum bis zuletzt, der immerhin rund zwei Drittel der Wirtschaftsleistung ausmacht. Der Einzelhandel etwa meldete im Februar sinkende Umsätze. «Unter Umständen könnte dann die Industrieproduktion zumindest so viel kompensieren, dass es zu zumindest zu einer schwarzen Null des gesamtwirtschaftlichen Wachstums reicht», sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Ende 2023 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3 Prozent geschrumpft. Sinkt es von Januar bis März 2024 das zweite Quartal in Folge, wird von einer technischen Rezession gesprochen. Die Bundesbank geht bislang davon aus, dass das BIP im ersten Vierteljahr «wohl erneut etwas sinken» dürfte.

Mehr Autos und Chemie

Die Industrieproduktion allein nahm im Februar um 1,9 Prozent zu. Dieser Anstieg ist weitgehend auf die Produktionszuwächse in der Automobilindustrie (plus 5,7 Prozent) sowie der chemischen Industrie (plus 4,6 Prozent) zurückzuführen. Dagegen wurde der Ausstoss im ebenfalls gewichtigen Bereich Maschinenbau etwas heruntergefahren (minus 1,0 Prozent), so das Wirtschaftsministerium. Das gute Abschneiden im Februar ist auch dem Baugewerbe zu verdanken: Hier gab es ein Plus von 7,9 Prozent. Dagegen sank die Energieerzeugung um 6,5 Prozent. 

(Reuters)