Trump könnte die sogenannte «De-minimis»-Ausnahme von Einfuhrzöllen antasten. Sein Vorgänger Joe Biden schlug am vergangenen Freitag in einer seiner letzten Amtshandlungen als Präsident vor, dieses «Schlupfloch» zu schliessen. Trump deutete am ersten Tag im Amt an, dass die aktuelle Regelung nicht lange Bestand haben könnte - zumindest nicht in ihrer jetzigen Form. Worum geht es?
Was ist De-minimis?
Das ist ein juristischer Begriff, der sich auf Angelegenheiten von geringer Bedeutung bezieht. Konkret heisst das hier: Die USA verzichten auf die üblichen Zollverfahren und Zölle auf importierte Gegenstände im Wert von weniger als 800 Dollar, die an Privatpersonen geliefert werden. Dabei handelt es sich um eine der grosszügigsten Ausnahmeregelungen der Welt: Die De-minimis-Schwelle in der EU liegt bei 150 Euro (156 Dollar). Die Vereinigten Staaten wenden die De-minimis-Regelung seit 1938 an, um den Verwaltungsaufwand zu verringern. Während der Präsidentschaft von Barack Obama vervierfachte der Kongress die Ausnahmeregelung von den bis dato geltenden 200 Dollar. Die Zahl der eingeführten Pakete, für die diese Regel gilt, stieg daraufhin explosionsartig. Die Sendungen, die die De-minimis-Regelung in Anspruch nehmen, erhöhten sich in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 600 Prozent. Sie lag nach Angaben der Zoll- und Grenzschutzbehörde 2023 bei mehr als einer Milliarde.
Warum ist die De-minimis-Regelung umstritten?
Die Kontroversen betreffen nicht nur das chronische Defizit im US-Handel mit China. Es geht auch um das synthetische Opioid Fentanyl, durch das allein 2023 fast 75.000 Menschen umkamen. Reuters-Reporter fanden im vergangenen Jahr heraus, dass sie die Grundstoffe für mindestens drei Millionen Fentanyl-Tabletten mit einem potenziellen Strassenverkaufswert von drei Millionen Dollar zu einem Preis von gut 3600 Dollar problemlos importieren konnten. Den Versendern gelang es, die Pakete beispielsweise als Elektronikartikel zu etikettieren.
Auch legale Produkte sind umstritten. Allein 2023 lag das bilaterale Handelsdefizit mit der Volksrepublik bei 279 Milliarden Dollar, weil viel mehr von dort importiert als dahin exportiert wird. Zu den grossen Nutzniessern der De-minimis-Regelung gehören Online-Händler, die ihre Waren hauptsächlich aus China versenden - etwa Shein, Temu und AliExpress. Deren rasantes Wachstum veranlasste den US-Konkurrenten Amazon dazu, seinen eigenen Dienst Haul zu starten. Dieser ermöglicht es Marktplatzhändlern, Fünf-Dollar-Zubehör und andere Artikel direkt aus China unter Inanspruchnahme der De-minimis-Regelung zu versenden.
Was ist passiert?
Am Montag veröffentlichte die Trump-Regierung einen Aktenvermerk mit dem Titel «America First Trade Policy». Darin werden Finanz-, Handels- und Heimatschutzministerium sowie der US-Handelsbeauftragte angewiesen, die Einnahmeausfälle und die Risiken der Einfuhr von gefälschten Produkten und geschmuggelten Medikamenten im Rahmen der De-minimis-Regelung zu bewerten. Trump wies die Behörden an, «gegebenenfalls Änderungen zu empfehlen, um sowohl die Einnahmen der Vereinigten Staaten als auch die öffentliche Gesundheit zu schützen, indem unrechtmässige Einfuhren verhindert werden».
Welche wirtschaftlichen Folgen drohen China?
Analysten der japanischen Grossbank Nomura schätzen, dass China im vergangenen Jahr weltweit Waren im Wert von 240 Milliarden Dollar unter De-minimis-Regelungen exportiert hat. Das würde sieben Prozent der Ausfuhren entsprechen. Der Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt wird mit 1,3 Prozent angegeben. Die Experten prognostizieren deshalb, dass die Abschaffung des US-Schwellenwerts das chinesische Exportwachstum um 1,3 Prozentpunkte und das Wirtschaftswachstum um 0,2 Punkte verlangsamen dürften. Die Auswirkungen wären noch deutlich grösser, wenn Europa und südostasiatische Länder ebenfalls ihre Mindestanforderungen für Zölle abschaffen würden.
Zu den am stärksten betroffenen Gütern in China gehört Nomura zufolge Bekleidung. Diese macht wertmässig 35 Prozent der chinesischen Direktexporte an Verbraucher aus. Es folgen Unterhaltungselektronik (22 Prozent), Einrichtungsgegenstände (17 Prozent) und Schönheitsprodukte (sieben Prozent).
(Reuters)