«Aus Zinssenkungshoffnung wird Rezessionsangst», überschrieb Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets seinen Börsenkommentar. Zum Handelsende büsste der deutsche Leitindex 2,33 Prozent auf 17.661,22 Punkte ein. Damit erlitt er den grössten Tagesverlust seit März 2023 und erreichte den tiefsten Stand seit April. Bereits am Donnerstag hatte er so deutlich verloren wie seit über einem Jahr nicht mehr. Der Wochenverlust von 4,1 Prozent ist der höchste seit zwei Jahren.
Für 2024 schmilzt der Dax-Gewinn damit auf 5,4 Prozent. Damit gerät langsam aber sicher auch die sogenannte 200-Tage-Linie in Gefahr, die als wichtiger Indikator für den langfristigen Trend gilt - sie verläuft aktuell bei knapp 17.400 Punkten. Unter die Durchschnittslinien für die kurz- bis mittelfristige Tendenz war das Börsenbarometer bereits am Donnerstag abgesackt.
Der MDax der mittelgrossen Unternehmen verlor am Freitag letztlich 2,15 Prozent auf 24.464,06 Punkte. Für den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 ging es um 2,7 Prozent bergab. Während die Londoner Börse spürbar weniger verlor, fiel das Minus in Zürich erheblich höher raus. Der New Yorker Leitindex Dow Jones Industrial verlor zum europäischen Handelsende 2,5 Prozent, während es für den technologielastigen Nasdaq 100 um 2,8 Prozent bergab ging.
Die US-Wirtschaft hat im Juli deutlich weniger Arbeitsplätze geschaffen als erwartet. Der Lohnanstieg schwächte sich überraschend ab, während die Arbeitslosenquote auf den höchsten Stand seit fast drei Jahren kletterte. Dazu gingen die Aufträge für die amerikanische Industrie im Juni deutlicher als erwartet zurück.
«Schlechte Nachrichten sind jetzt wirklich schlechte Nachrichten», kommentierte Experte Stanzl den Arbeitsmarktbericht. Die Angst vor einer US-Rezession sei da, auch wenn in den Daten trotz der gestiegenen Arbeitslosigkeit nach seiner Einschätzung nicht zu erkennen. Nun mehrten sich die Spekulationen, dass die US-Notenbank Fed den Leitzins im September sogar um 0,5 Prozentpunkte senken könnte. «Täte sie dies, dürfte sie damit allerdings die Unsicherheit noch verstärken.»
Schlechte Nachrichten vor allem von Amazon und Intel belasteten den europäischen Technologiesektor. Amazon als weltgrösster Online-Händler hatte die Anleger mit seinem Ausblick für das laufende Quartal enttäuscht. Auch der Chiphersteller Intel hatte die Erwartungen verfehlt und will mehr als 15 Prozent der Arbeitsplätze streichen.
Die negativen US-Vorgaben zogen am deutschen Markt Halbleiterwerte nach unten. Infineon verloren 5 Prozent. Für Süss Microtec im Nebenwerte-Index SDax ging es um 10 Prozent bergab.
Die Essenslieferdienste Hellofresh und Delivery Hero kamen im Sog der Amazon-Schwäche unter die Räder und verloren am MDax-Ende 7,8 beziehungsweise 7,5 Prozent.
Industriewerte wie Heidelberg Materials litten unter den Rezessionssorgen und Bankaktien wie Commerzbank und Deutsche Bank unter den Perspektiven niedrigerer Zinsen.
Die Papiere des Versorgers RWE und des Energietechnikkonzerns Siemens Energy belegten im Dax mit Abschlägen von 7,9 und 7,5 Prozent die hinteren Plätze.
Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,30 Prozent am Vortag auf 2,22 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,38 Prozent auf 126,46 Punkte. Der Bund-Future legte um 0,62 Prozent auf 135,15 Punkte zu.
(AWP)