Das Wirtschaftswachstum schwächt sich zunehmend ab. Gerade vergangene Woche korrigierte die Konjunkturforschungsstelle KOF die Wachstumsprognose. Neu wird für das laufende Jahr in der Schweiz ein Wert von 0,9 Prozent erwartet, zuvor waren es 1,6 Prozent. Eine happige Korrektur.
Und auch auf Firmenebene gab es jüngst "bad news": Am Dienstag warnte der Automobilzulieferer Autoneum vor einer schwachen zweiten Jahreshälfte, der langjährige Firmenchef Martin Hirzel ging per sofort. Die Autoneum-Aktie stürzte gleichentags um über 10 Prozent ab (cash berichtete).
Keine guten Voraussetzungen also für die anstehende Berichtssaison am Schweizer Markt. "Die Zahlen zum dritten Quartal werden sehr durchzogen ausfallen", prophezeit Peter Bänziger, Anlagechef von Belvalor, auf cash-Anfrage. Auch die Guidance der einzelnen Firmen werde sehr zurückhaltend sein.
Einzelne Tech-Titel mit Potenzial
Für Bänziger ist der Technologie- und Chipbereich im Rahmen der Zahlensaison ein grosses Fragezeichen, wo sich die Wende zum Positiven höchstens bei einzelnen Aktien abzeichnen dürfte. Etwa bei Inficon. Der Mess- und Kontrolltechniker aus Bad Ragaz legt am 17. Oktober Zahlen vor. Zwar musste Inficon im Vorquartal einen Umsatz- und Gewinnrückgang hinnehmen, doch erwartet das Management im zweiten Semester eine Erholung. Die Aktie ist seit Jahresbeginn 31 Prozent im Plus.
Als erster Schweizer Tech-Titel wird am 16. Oktober der Bankensoftwarespezialist Temenos die Bücher öffnen. Die Aktie hat mit plus 40 Prozent im Jahr 2019 an der Börse einen hervorragenden Lauf. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) erwartet ein gutes Wachstum für das dritte Quartal, welches innerhalb der Guidance für das Gesamtjahr (17,5 bis 22,5 Prozent) zu liegen kommen soll. Allerdings ist die Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis 2019 von 45 bereits sehr hoch bewertet, viel mehr Aufwärtspotenzial liegt derzeit wohl nicht mehr drin.
Von Interesse dürfte für Halbleiterinvestoren auch der 22. Oktober sein, dann öffnet AMS seine Bücher. Die Österreicher waren jüngst praktisch ausschliesslich wegen der geplanten Osram-Übernahme im Gespräch, die nun vorerst gescheitert ist. Bei der Aktie ist derzeit durchaus viel Luft nach oben: Viele Analysten führen bei AMS Kursziele auf, die massiv über dem aktuellen Kurs von 42,70 Franken liegen. Bei Vontobel etwa liegt dieses bei 64 Franken, bei Kepler Cheuvreux gar bei 70 Franken.
Finanzanalyst Marco Estermann von der Luzerner Kantonalbank (LUKB) erwartet, dass konjunktursensitive Sektoren generell Mühe haben werden, die Konsensprognosen zu erfüllen. Dennoch sieht auch er bei gewissen Zyklikern Überraschungspotenzial. So bei Logitech, die mit dem Zukauf der Softwarefirma Streamlabs den Wachstumsbereich "Gaming" stärken konnte. Zudem sei die Firma in wachsenden Märkten gut positioniert, auch wenn sich die Konjunktur weiter eintrübe.
ABB: Ist der Boden erreicht?
Ein enttäuschender Zykliker ist ABB. Der Industriekonzern hat in diesem Jahr an der Börse in einem sehr positiven Gesamtmarkt 4 Prozent eingebüsst. In den letzten drei Wochen fiel die Aktie gar um 12 Prozent auf aktuell unter 17,80 Franken. Allein in der vergangenen Woche haben drei Analysten ihre Kursziele gesenkt, am Montag kamen mit Deutsche Bank und HSBC zwei weitere hinzu. Erwartet wird eine Wachstumsabschwächung im dritten Quartal, insbesondere im Bereich Robotics.
Kursentwicklung ABB-Aktie seit Jahresbeginn, Quelle: cash.ch
Doch diese negative Erwartungshaltung bei ABB könnte der Aktie auch dienlich sein: "Der Kursrückfall ist aus unserer Sicht zu stark ausgefallen und somit ist einiges an Negativem schon eingepreist", so Estermann von der LUKB. Seiner Meinung nach wird ABB die inzwischen gesenkten Konsensprognosen im dritten Quartal knapp erreichen. Und sollte beim Handelskonflikt zwischen USA und China eine Annäherung stattfinden, erwartet Estermann gar eine positive Reaktion beim ABB-Kurs.
Und wie werden sich UBS und Credit Suisse schlagen? Belvalor-Anlagechef Bänziger erwartet bei den Grossbanken schwache Resultate im Investmentbanking, während das Private Banking und das Asset Management aufgrund der guten Marktentwicklung positive Ergebnisse erzielen sollten. Die UBS-Aktie hat in diesem Jahr 13 Prozent eingebüsst, auch die Credit Suisse hinkt mit plus 6 Prozent dem Gesamtmarkt hinterher. Von letztgenannter Aktie hält Bänziger weiter die Finger, solange das Duo Rohner und Thiam am Werk ist: "Corporate Governance, Strategie und Zahlen sind einfach ungenügend", so sein Urteil.
Schwergewichte dürften überzeugen
Während die von cash befragten Experten für konjunkturabhängige Werte mehrheitlich eine schwierige Berichtssaison voraussagen, sind sie für die defensiven Sektoren weitaus optimistischer gestimmt: So wird der Pharmabranche im aktuell spätzyklischen Umfeld weiterhin ein gutes Abschneiden zugetraut. Das betrifft Novartis und Roche, die mit plus 16 beziehungsweise plus 19 Prozent seit Jahresbeginn schon gut unterwegs sind. Die LUKB ortet vor allem bei Roche positives Überraschungspotenzial, da neue Wirkstoffe Patentabläufe und die Biosimilar-Konkurrenz überkompensieren könnten.
Bänziger erwartet darüber hinaus gute Zahlen von den Versicherungstiteln sowie von Nestlé, die "in der Regel sehr zuverlässig ist". Doch gerade beim Nahrungsmittelkonzern stellt sich nach einer Performance von plus 36 Prozent in diesem Jahr die Frage, wie lange der Anstieg noch anhaltend kann. Die ZKB geht zwar davon aus, dass Nestlé für 2019 auf Kurs bleiben wird und ein organisches Umsatzwachstum von 3,5 Prozent sowie eine Gewinnmarge (Stufe Ebit) von mindestens 17,5 Prozent erzielen wird. Nur: Die Kantonalbank kommt auf einen fairen Wert der Nestlé-Aktie bei 94,50 Franken, das liegt 12 Prozent unter dem aktuellen Kurs.
Schweizer Firmen mit Drittquartalszahlen im Oktober (Auswahl)
Titel | Datum Q3-Zahlen | Kursentwicklung seit 1.1.2019 |
Givaudan | 10. Oktober | +22% |
Roche | 16. Oktober | +19% |
Temenos | 16. Oktober | +40% |
Nestlé | 17. Oktober | +36% |
Inficon | 17. Oktober | +31% |
AMS | 22. Oktober | +87% |
Kühne+Nagel | 22. Oktober | +18% |
Novartis | 22. Oktober | +16% |
UBS | 22. Oktober | -13% |
ABB | 23. Oktober | -4% |
Schindler | 24. Oktober | +15% |
Sika | 24. Oktober | +26% |
Huber+Suhner | 24. Oktober | -2% |
LafargeHolcim | 25. Oktober | +14% |
Rieter | 29. Oktober | +10% |
Clariant | 30. Oktober | +9% |
Credit Suisse | 30. Oktober | +6% |
Geberit | 31. Oktober | +21% |
Swiss Re | 31. Oktober | +14% |
Swisscom | 31. Oktober | +7% |
Quellen: AWP und cash, Stand 08.10.2019