Die Kartellbehörde will in erster Linie verhindern, dass der Wettbewerb unter Zusammenschlüssen leidet und Ticketpreise steigen. Wachsende Marktanteile der drei grossen europäischen Netzwerk-Airlines Lufthansa, Air France-KLM und IAG sehen sie deshalb besonders kritisch, wie das langwierige Zerren um die Genehmigung des Lufthansa-Einstiegs bei der italienischen ITA zeigte. «Europa wird mit Blick auf diese Konsolidierungswelle immer vorsichtiger», sagte Piotr Grobelny von IBA, einem Beratungsunternehmen für die Luftfahrt in London.

Aus Sicht der Unternehmen sind Fusionen aber ein Vorteil, wenn dank Grössenvorteilen der Gewinn steigt. Die Airlines argumentieren, sie brauchten mehr Finanzkraft, um steigende Ausgaben für den Klimaschutz zu stemmen. Sie müssten ausserdem im globalen Wettbewerb gegen starke Konkurrenten aus den USA, den arabischen Golf-Staaten und Asien bestehen. Wachsen können sie am schnellsten durch Zukäufe.

Deshalb griff Lufthansa nach der italienischen ITA Airways. Air France-KLM tastet sich in Skandinavien vor mit einem Anteil von 20 Prozent an der Airline SAS. Die British-Airways- und Iberia-Mutter IAG arbeitet an der Übernahme von Air Europa in Spanien. Diese drei Deals steigerten den Marktanteil der fünf grössten europäischen Anbieter auf 73,5 Prozent im Vergleich zu 47 Prozent vor 20 Jahren, warnten die europäischen Verbände von Verbrauchern, Reisebüros und Flughäfen die Kommission. Und mit der vor der Privatisierung stehenden portugiesischen Staatsairline TAP haben die drei Grossen den nächsten Kandidaten auf dem Radar.

Konkurrenz steht parat

Die EU-Kommission war nah dran, der Lufthansa den Einstieg mit zunächst 41 Prozent an ITA zu untersagen. Doch eine solche Blockade birgt in Europa mit seinen vielen nationalen Airlines das Risiko, dass im Krisenfall der Steuerzahler bluten muss - lässt doch kein Land gern die nationale Fluggesellschaft untergehen. ITA-Vorgängerin Alitalia verbrannte so Milliarden öffentlicher Gelder. «Die Airlines müssten weiter von Regierungen finanziert werden, das ist noch schlimmer», sagte Johan Lundgren, Chef von Easyjet.

Also feilschten Lufthansa und EU-Kommission länger als ein Jahr um Auflagen, die den Wettbewerb schützen sollen: so etwa den Verzicht auf Start- und Landerechte (Slots) für Routen, auf denen sonst ein Monopol entstünde. Damit diese auch von Konkurrenten genutzt werden, müssen Vereinbarungen mit Slot-Abnehmern getroffen werden. So können Easyjet und Volotea aus Spanien ihr Angebot in Italien ausbauen.

Die Billigairline Volotea könnte auch Gewinnerin sein bei harten Auflagen, die der Iberia-Mutterkonzern IAG für die Übernahme von Air Europa in Spanien womöglich hinnehmen muss. Nach Daten von IBA verfügt IAG an den Flughäfen Madrid und Barcelona bereits über rund die Hälfte der Slots. Insidern zufolge ist der Airline-Konzern bereit, auf 52 Prozent der Flüge von Air Europa des vergangenen Jahres zu verzichten. Volotea bringt sich als Abnehmer in Stellung und will für Langstrecken die südamerikanische Gruppe Abra an Bord holen.

IAG nimmt seit 2019 den zweiten Anlauf, die auf Mallorca sitzende Air Europa zu kaufen, nachdem die EU wegen unzureichender Zugeständnisse beim ersten Mal Nein sagte. Jahrelanges Tauziehen zwischen Unternehmen und EU sei keine Seltenheit, erklärte Martina Farkas, Fusionsexpertin von der Kanzlei Linklaters. «Deals dauern länger, werden komplexer und teurer.» Ein an Übernahmen beteiligter Banker meinte, die Airlines könnten durch die scharfe Regulierung den Zugang zu neuen Strecken verlieren - und viel Geld für Anwälte ausgeben. Womöglich überlegten sich die Airlines in Zukunft noch gründlicher, ob sich das lohnt.

(Reuters)