Die Zinserhöhung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) fiel wie erwartet erwartet aus. Die von cash.ch befragten Ökonomen und Anlagestrategen erklären, ob dies die letzte Zinserhöhung im aktuellen Zyklus ist, der Franken weiter zur Stärke neigen wird und welchen Einfluss der Entscheid der Währungshüter auf die Gewinne bei den börsenkotierten Schweizer Unternehmen und die Anleger hat: 

Christian Gattiker, Chef Research Bank Julius Bär

"Die SNB geht jetzt in den Wartemodus. Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, sollte das zyklische Hoch in den Zinsen erreicht sein. Wir erwarten in den nächsten 12 Monaten jedenfalls von der SNB keine Zinsschritte mehr."

"Die grosse Kehrtwende vollzog die SNB letzten Sommer, als sie die Rückkehr zur orthodoxen Geldpolitik ausrief. Das bedeutet, dass die negativen Zinsen Geschichte sind und die Währungsreserven über die nächsten Jahre zurückgefahren werden. Somit bleibt der Franken stark und wird in den nächsten Jahren noch stärker. Der heutige Entscheid hat da wenig am grossen Bild geändert, sondern den jüngsten Politikkurs bestätigt."

"Die Zinserhöhungen weltweit sind in den letzten fünfzehn Monaten über die Bühne gegangen. Der Zinsschock und die Unsicherheiten klingen darum ab, und das Ende der Straffungen rückt langsam ins Blickfeld. Die Anleger sehen sich mehr in der Feinabstimmung begriffen. Von daher ist der Einfluss des jüngsten Entscheids der SNB überschaubar. Die Gewinnentwicklung hängt derzeit mehr am globalen Makrobild als an der Währung."

Matthias Geissbühler, Anlagechef Raiffeisen 

"Den heutigen Zinserhöhungsschritt um 25 Basispunkte haben wir so erwartet. Die SNB hält sich die Türe für eine weitere Straffung (erwartungsgemäss) offen. Gemäss ihren eigenen Inflationsprognosen geht die Nationalbank davon aus, dass beim aktuellen geldpolitischen Kurs die Teuerung für 2024 und 2025 noch knapp über 2 Prozent zu liegen kommt. Somit bleibt aus Sicht der SNB weiterhin Handlungsbedarf. Neben der Zinspolitik, dürfte die SNB aber auch via Devisenverkäufen gezielt eine schrittweise Aufwertung des Franken zulassen. Dies hilft, die importierte Inflation zu reduzieren. Wir gehen davon aus, dass sich die Kerninflation in der Schweiz tendenziell weiter zurückbilden wird. Zudem dürfte der globale konjunkturelle Abschwung den Inflationsdruck ebenfalls dämpfen. Bis zum nächsten SNB-Leitzinsentscheid im September dürfte sich die Inflationssituation somit weiter beruhigt haben. Insofern spricht einiges dafür, dass der Zinserhöhungszyklus in der Schweiz mit der heutigen Leitzinserhöhung bereits abgeschlossen ist."

"Der Franken hat nicht gross auf den heutigen Zinsentscheid reagiert. Dies u.a. auch weil der Schritt so erwartet wurde. Mittelfristig gehen wir allerdings davon aus, dass der Franken weiter moderat aufwerten wird. Auf 12-Monatssicht rechnen wir mit einem Kurs zum Euro von 0,95 Rappen."

"Der Einfluss auf die Unternehmen hält sich aktuell in engen Grenzen. Seit Jahresbeginn notiert der Franken gegenüber dem Euro um rund 0,7 Prozent fester. Der Dollar hat um gut 3 Prozent abgewertet. Real betrachtet (inflationsbereinigt) ist der Franken aber insbesondere gegenüber dem Euro sogar schwächer geworden. Mit anderen Worten ist die aktuelle Währungssituation für die Schweizer Exporteure kein grosses Thema. Entsprechend sehen wir von dieser Seite her auch keine Belastung für die Gewinnentwicklung 2023. Für die Unternehmen ist der weitere Konjunkturverlauf viel bedeutender und von dieser Seite her sehen wir in der zweiten Jahreshälfte verstärkten Gegenwind. Insofern sind die Gewinnschätzungen für das laufende Fiskaljahr aus unserer Sicht weiterhin zu hoch."

Karsten Junius, Chefökonom Bank J. Safra Sarasin

"Die Inflationsprognose der SNB zeigt, dass eine weitere Zinserhöhung im September sehr wahrscheinlich geworden ist. Dazu trägt auch die Einschätzung der SNB bei, dass die Gefahr von Zweitrundeneffekten höher geworden sind und der überraschend starke Inflationsrückgang hauptsächlich auf niedrigere Importpreise zurückzuführen ist."

"Der Zinsentscheid der SNB, insbesondere das klare Bekenntnis an einem starken Franken interessiert zu sein, und die Absicht dafür auch weiter Devisen zu verkaufen, dürften den Franken stabil halten. Die Zinsdifferenz zum Euro hat sich allerdings ausgeweitet und wird das vermutlich auch weiter tun. Daraus ergibt sich ein gewisser Gegenwind, der eine starke Aufwertung verhindern sollte."

"Höhere Zinsen bremsen klar die wirtschaftliche Aktivität der Schweizer Wirtschaft und verteuern vor allem die Investitionstätigkeit mittels Fremdkapitalfinanzierung. Dies ist im aktuellen Umfeld so auch gewünscht. Die Gewinne sollten bei höheren Zinsen folglich zurückgehen, da Investitionen weniger profitabel werden."

"Mittelfristig bietet allerdings eine verlässliche Geldpolitik, die die Inflationserwartungen stabil hält und Lohn-Preis-Spiralen verhindert, auch für die Unternehmen ein gutes und stabiles Umfeld. Diese Stabilität ist sicherlich ein Standortvorteil der Schweiz."

Thomas Daniel Marti
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