Am Ende des Tages ist alles Erwartungsmanagement. «Ich möchte stark sein. Wir werden nicht wissen, was stark bedeutet, bis die Zahlen vorliegen», sagt Nikki Haley wenige Tage vor der Vorwahl für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner in New Hampshire. Dabei könnte Haley dort gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump gewinnen.
Aber wetten sollte man darauf besser nicht, es ist unwahrscheinlich - Trump liegt in Umfragen auch hier klar vorn. Doch der Abstand ist deutlich geringer als anderswo - die 51-Jährige hat eine echte Chance. Die Vorwahl in dem kleinen Bundesstaat in Neuengland an der Ostküste dürfte gar ihre einzige Chance sein.
Bei der ersten Vorwahl im streng religiös geprägten Iowa vor einer Woche ist die als etwas moderater geltende Haley nur Dritte gewonnen. Ihr erzkonservativer Konkurrent Ron DeSantis wurde Zweiter, wenige Prozentpunkte vor Haley. Trump fuhr einen Erdrutschsieg ein, gewann mit mehr als 30 Prozentpunkten Abstand zu den beiden.
In landesweiten Umfragen ist sein Vorsprung vor Haley und DeSantis sogar noch grösser. Das Rennen scheint gelaufen, bevor es richtig angefangen hat: Trump, der unaufhaltsame Favorit. Und ein Duell um den zweiten Platz zwischen DeSantis und Haley. Bei der Abstimmung in New Hampshire am Dienstag könnte sich dieses Blatt noch wenden.
Haley muss gewinnen
«Wenn Trump in New Hampshire gewinnt, ist er der Kandidat. Das Spiel ist vorbei», sagt Andrew Smith von der University of New Hampshire der Deutschen Presse-Agentur. Er leitet dort das Zentrum für Meinungsumfragen und forscht zu Wählerbefragungen. Nur wenn Haley hier einen Sieg einfahre, sei das Rennen der Republikaner nicht gelaufen. «Ich glaube, dass sie es schwer haben wird zu gewinnen, aber sie hat eine Chance.» Trump liegt in Umfragen im Schnitt bei 49 Prozent, Haley bei 34.
Der Bundesstaat mit seinen knapp 1,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sei im Prinzip nicht wichtig für den Vorwahlkampf, gibt Smith zu bedenken. Hier gebe kaum Delegierte für den Nominierungsparteitag der Partei zu gewinnen. Doch entscheidend sei, welche Geschichte nach der Abstimmung in New Hampshire in den Medien stehe, sagt Smith. Würde Haley hier gewinnen, gebe es in den kommenden Wochen positive Berichterstattung und viel Rückenwind. «Und das ist unbezahlbar.»
Die ehemalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen profitiert in New Hampshire von der eher moderateren Wählerschaft - dass sich ein Erfolg für sie hier in anderen Bundesstaaten fortsetzt, ist daher keineswegs sicher. Nicht zuletzt deshalb dürfte Ron DeSantis New Hampshire auch mehr oder weniger abgeschrieben haben. Der 45-Jährige liegt dort in Umfragen weit abgeschlagen im einstelligen Bereich.
Der Gouverneur von Florida, der in seinem Bundesstaat die Rechte von Minderheiten beschneidet und die Freiheit der Lehre an Schulen und Universitäten einschränkt, konzentriert sich Beobachtern zufolge auf die Vorwahl in South Carolina Ende Februar. Sein Ziel sei es, Haley in ihrem Heimatbundesstaat zu schlagen, in dem sie einst Gouverneurin war.
Ein Triumph über Haley würde für DeSantis aber nur den zweiten Platz bedeuten. Denn auch im konservativen South Carolina liegt Trump weit vorn. «Wenn Nikki New Hampshire verliert - was ihre beste Chance von allen Staaten ist, zu gewinnen - und gleich danach ihren Heimatstaat South Carolina verliert, muss sie aussteigen und wir bekommen unser Zwei-Mann-Rennen», zitierte der Sender NBC einen Vertrauten des DeSantis-Wahlkampfteams.
Trump hat bisher an keiner TV-Debatte der Republikaner teilgenommen
Gleichzeitig setzt Haley darauf, ihren Konkurrenten DeSantis als Verlierer dastehen zu lassen. Das Rennen in New Hampshire hat sie zum Zweikampf zwischen ihr und Trump ausgerufen. Strategisch klug weigerte sie sich, erneut an einer TV-Debatte ohne Trump - und nur mit DeSantis - teilzunehmen. Trump hat das selbstredend abgelehnt. Der 77-Jährige hat bisher an keiner einzigen TV-Debatte der Republikaner teilgenommen.
War einst DeSantis sein grösster Konkurrent im Rennen um die Kandidatur, konzentriert sich Trump nun vermehrt auf Haley. Der oft wenig charismatisch und hölzern wirkende DeSantis ist in den vergangenen Monaten in Umfragen eingebrochen, Haley hat sich nach oben gekämpft. Die beiden liegen nun bei landesweiten Befragungen ungefähr gleich auf - Haley im Schnitt etwas besser bei 12 Prozent, DeSantis bei gut 11. Trump kommt auf 65 Prozent.
Dass er in Haley dennoch eine Gefahr sieht, zeigen seine verbalen Attacken auf die Tochter indischer Einwanderer. Die sind - wie so oft bei Trump - rassistischer Natur. Er verbreitete etwa die falsche Behauptung, Haley könne nicht Präsidentin werden, weil ihre Eltern bei ihrer Geburt keine US-Staatsbürger waren.
Da wirkt es fast schon zynisch, dass Haley im Wahlkampf immer wieder betont, die USA seien kein rassistisches Land. Trumps Rassismus relativiert sie: «Das ist es, was er tut, wenn er sich unsicher fühlt. Ich nehme diese Dinge nicht persönlich, es stört mich nicht.»
Haley sagt sich nicht klar von Trump los
Die einstige Verbündete Trumps sagt sich gleichzeitig nicht klar von ihm los - was einige moderatere Wähler verschrecken dürfte. Sie stellte in Aussicht, ihn bei einer Verurteilung zu begnadigen, sollte sie Präsidentin werden.
Gegen den Ex-Präsidenten laufen vier strafrechtliche Verfahren, unter anderem wegen seiner Versuche, das Wahlergebnis der Präsidentenwahl 2020 zu kippen. Damals verlor er gegen den Demokraten Joe Biden. «Er war der richtige Präsident zur richtigen Zeit», wiederholt sie mantraartig.
Dass weder DeSantis noch Haley Trump wegen seines Verhaltens nach der Wahl angreifen, liegt auch daran, dass sie dessen Unterstützer nicht verprellen wollen. Sollte Trump doch noch aus dem Rennen aussteigen, sei es aus gesundheitlichen Gründen oder wegen seiner juristischen Probleme, brauchen Haley und DeSantis diese.
Beobachter gehen davon aus, dass es Haley auf das Amt der Vizepräsidentin abgesehen haben könnte. Sollte Trump sie dafür auswählen, wäre das ein kluger Schachzug, weil er gemässigtere Republikaner auf seine Seite ziehen könnte. Es ist aber möglich, dass Trump und seine kultartige Anhängerschaft lieber auf jemand Radikaleren aus dem eigenen Lager setzen, der Trump treu ergeben ist.
Und Ron DeSantis? Der ist mittlerweile zu einer Art Intimfeind Trumps geworden. Sollte sich das Blatt nicht noch wenden, kann er nur versuchen, als Zweiter mit gehobenem Haupt vom Platz zu gehen. Und dürfte sich bereit machen - für das Wahljahr 2028.
(AWP)