Der Innovationspark Dübendorf – offiziell «Switzerland Innovation Park Zurich» hat einen grossen Neuzugang vermeldet: Mit Starlab Space kommt ein globales Joint Venture ins Glatttal, das die neue Generation von Raumstationen bauen will.

Zudem wurde eigens eine neue Forschungseinheit gegründet, das sogenannte «Center for Space and Aviation Switzerland and Liechtenstein» mit Sitz in Dübendorf. Geleitet wird es vom renommierten Weltraumforscher Oliver Ullrich. Er sieht in der kommerziellen Raumfahrt ein riesiges Potenzial.

Blick: Starlab Space könnte den Nachfolger der Raumstation ISS in ein paar Jahren in Serienproduktion herstellen. Ein Quantensprung?

Oliver Ullrich: Wir erleben gerade eine extrem spannende Zeit in der Raumfahrt. Der Bau der Raumstation ISS hat noch 150 Milliarden Dollar gekostet. Und die Betriebskosten betragen etwa 6 Milliarden pro Jahr. Die Forschungsstation war also praktisch unbezahlbar. Die neue Generation von serienmässig produzierten Raumstationen wird kaum mehr als ein Grossraumflugzeug kosten. Das erste Starlab könnte bereits 2029 in den Orbit abheben.

Was bringt uns diese Privatisierung des Orbits?

Wir werden in den nächsten Jahren eine regelrechte industrielle Revolution im Orbit erleben. Mit den Shuttles kostete der Transport früher zwischen 50'000 und 65'000 Dollar pro Kilogramm. Mit der Falcon 9 von SpaceX es derzeit noch 2000 bis 3000 Dollar. Mit dem Starship von Space X sinken die Transportkosten künftig auf rund 100 Dollar pro Kilogramm.

Und was wird man transportieren?

Auf der Raumstation ISS wurden Tausende vielversprechende Forschungsprojekte durchgeführt, die man mit den neuen Raumstationen und den günstigeren Flügen wird umsetzen können. Wir werden nicht mehr nur Daten hoch- und herunterschicken, sondern da oben Produkte herstellen, die dann mit regelmässigen Raketenflügen nach unten befördert werden.

Von was für Produkten sprechen wir hier?

Bei vielen Produktionsprozessen stört die Schwerkraft auf der Erde. Gerade bei Produkten, bei denen eine extrem präzise Gleichverteilung entscheidend ist, ist der Aufwand auf der Erde enorm. Sei es beim Kristallisieren von Strukturen in der Halbleiterherstellung oder bei der Produktion von menschlichem Gewebe. Auf der Erde ist es eine grosse Herausforderung, dass sich die Zellen richtig anordnen. Im All geschieht das automatisch. So können künftig aus menschlichen Stammzellen viel einfacher in grosser Menge komplexe Organe für Transplantationen produziert werden. Das konnten wir auch bereits auf zwei ISS-Missionen in der Praxis zeigen.

Wie gross schätzen Sie das Marktpotenzial im All ein?

Wir sprechen hier von einem Markt mit riesigem Wachstumspotenzial. Nach Schätzungen des World Economic Forums könnte sich der Umsatz in zehn Jahren 1800 Milliarden US-Dollar verfünffachen. Ich halte diese Annahme noch für konservativ und schätze das Potenzial gerade in den Bereichen Pharmazie und Biotechnologie noch grösser ein. Die Schweiz kann mit ihrer Pharmabranche also enorm profitieren.

Dann haben wir also bald Fabrikarbeiter im All, die all das herstellen?

Am Anfang wird man noch hoch ausgebildete Berufsastronauten haben. Mit der Zeit wird sich das Berufsbild aber stark diversifizieren. Es wird Nutzlastspezialisten mit kürzerer Ausbildung geben und auch ganz normale Arbeiter, sogenannte Space Worker, die in der Produktion tätig sind. Dank der kürzeren Aufenthalte im All sind diese aus gesundheitlicher Sicht durchaus in den Griff zu bekommen. Möglicherweise wird in gut zehn Jahren das All als Wirtschaftsraum so normal sein, wie heute das Internet oder die künstliche Intelligenz.

In der Schweiz mischen gemäss einer aktuellen Raiffeisen-Studie rund 130 Firmen im Bereich New Space mit. Sind wir für die künftige Entwicklung gewappnet?

Wir sind extrem gut aufgestellt. In der Westschweiz hat man sich über Jahrzehnte rund um die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne auf den Upstream spezialisiert. Dazu gehören Satelliten, Datenübertragung oder Informationstechnologien.

Welche Rolle kann der Innovationspark in Dübendorf für die Schweiz spielen?

In der Deutschweiz liegt der Fokus auf der Nutzbarmachung der Raumfahrttechnologien im erdnahen Orbit, beispielsweise für die Produktion von Gütern. Bis jetzt waren wir hier ziemlich zersplittert. Im Innovationspark bauen wir nun ein Zentrum auf. Bei einer guten Zusammenarbeit müssen wir uns als Schweiz auch vor viel grösseren Ländern nicht fürchten. Wir haben die Talente, die Technologien und die Unternehmen. Und wir sind international gut vernetzt.

Bei all den Chancen ist diese Frachtstrasse ins All mit Blick auf das Klima aber ziemlich bedenklich …

Ich bin überzeugt, dass von dem technologischen Fortschritt auch die Green Economy profitieren wird. Die Forschung in der Raumfahrt ist ein riesiger Technologietreiber. Das US-Apollo-Programm hat uns die Computer gebracht, die Nutzung des erdnahen Orbits könnte uns im Bereich der Solartechnik oder bei Energiespeichertechnologien massiv voranbringen. Am Ende muss die Bilanz für den ganzen Planeten stimmen.

Dieses Interview ist zuerst im «Blick» unter dem Titel «All als Wirtschaftsraum in zehn Jahren so normal, wie heute das Internet» erschienen.