Die Aktien der Credit Suisse gewinnen 23 Prozent auf 2,09 Franken, während der Gesamtmarkt gemessen am Swiss Markets Index (SMI) 0,9 Prozent höher steht. Damit macht der Titel die Verluste vom Vortag teilweise wett, obwohl das Kursminus seit Jahresbeginn immer noch knapp 40 Prozent beträgt.

Für Christian Schmidiger, Analyst bei der ZKB, reflektiert die gestrige Marktreaktion vor allem die Erwartung, dass das Kundenvertrauens weiter schwindet. Sowie die Erwartung weiterer Abflüsse mit negativen Auswirkungen auf die Liquiditätsquote. 

Gestern Abend gaben die Finma und die Schweizerische Nationalbank (SNB) bekannt, dass sie der Credit Suisse bei Bedarf Liquidität zur Verfügung stellen werden. Bereits einige Stunden später meldete die CS ihren Bedarf an und leiht sich bis zu 50 Milliarden Franken von der SNB, um die Liquidität sicherzustellen. Für Schmidiger bleibt aber fraglich, welche Auswirkungen die Mitteilung der SNB auf die Dynamik der Abflüsse von Kundengeldern bei der Credit Suisse hat.

Die Abflüsse von Kundengeldern, die Anfang Oktober ein noch nie dagewesenes Ausma erreichten, haben sich laut Geschäftsbericht auch in diesem Monat noch nicht umgekehrt. Allerdings haben sie sich auf einem deutlich niedrigeren Niveau stabilisiert, nachdem die Bank eine umfangreiche Kampagne zur Rückgewinnung von Kundengeldern gestartet hat. 

Aktie der Credit Suisse besonders anfällig

Nicht nur die ZKB ist skeptisch. Erste Analysten haben in der Folge ihre Kursziele und Ratings für die Aktien der Credit Suisse angepasst. Julius Bär senkt beispielsweise das Kursziel von 2,80 auf 1,80  Franken. Die Einstufung lautet weiterhin "Hold". Das implizite Abwärtspotenzial beträgt 14 Prozent. 

Das tiefere Kursziel widerspiegelt laut dem Julius-Bär-Analysten Peter Casanova die erhöhte Marktvolatilität und die grosse Unsicherheit im Zusammenhang mit der Grossbank. Die aktuellen Bewertungskennzahlen liessen trotz des tiefen Aktienkurses jedoch keine Kaufempfehlung zu. Er werde sich die Sache wieder anschauen, sobald zusätzliche Informationen eine zuverlässige Bewertung ermöglichten, so der Experte.

Die Analysten der DZ Bank, die seit Sommer 2021 die Aktie zum Verkauf empfehlen, reduzieren das Kursziel von 2,3 auf 1,4 Franken weiter - Abwärtspotenzial von 33 Prozent. Kein andere Bank hat laut Bloomberg-Daten ein tieferes Kursziel für die Credit Suisse stehen. 

Die Analysten der DZ Bank bleiben ausdrücklich skeptisch, ob der Umbau der nachhaltig gelingen wird. Die Restrukturierung könne selbst in Normalzeiten als Herkulesaufgabe gelten. Nun komme als weiterer Gegenwind die allgemeine Marktskepsis gegenüber Banken hinzu, was die Aktie des besonders anfälligem Instituts mit wiederkehrenden negativen Schlagzeilen besonders hart treffe. 

Die Unterstützung durch die Kredit- und Liquiditätslinien der SNB von bis zu 50 Milliarden Franken dürfte indes positiv aufgenommen werden. Trotzdem wird von der DZ Bank ein Risikoabschlag in die Kurszielberechnung von 40 Prozent vorgenommen.

Kapitaldecke der Credit Suisse kein Problem

Die US-Grossbank JPMorgan belässt hingegen die Einstufung für die Aktien der Credit Suisse mit einem Kursziel von 3,8 Franken auf “Neutral”. Die Kapitaldecke der Schweizer sei nicht das Problem, schreibt der bekannte Analyst Kian Abouhossein in einer am Donnerstag vorliegenden Studie. Er verwies auf eine Kernkapitalquote von 14,1 Prozent zum Jahresende 2022, deutlich über der Mindestanforderung von 9,3 Prozent.

Abouhossein sieht auch nach der Liquiditätszusage der Schweizerischen Nationalbank (SNB) vor allem ein anhaltendes Vertrauensproblem in die Investmentbanking-Strategie, sowie Sorgen über Mittelabflüsse und die aktuellen Verluste der historisch so erfolgreichen Vermögensverwaltung.

Für Vontobel Analyst Andreas Venditti ist es hingegen ein starkes und wichtiges Signal, dass nach der gestrigen extremen Volatilität der Aktienkurse die Schweizer Behörden ihre Unterstützung anboten. "Wir hoffen, dass die Massnahmen die Märkte beruhigen und die Negativspirale durchbrechen werden. Es wird jedoch einige Zeit dauern, bis das Vertrauen in die Franchise wiederhergestellt ist", so Venditti. Man werde die Finanz-  und Bewertungsmodelle aktualisieren, um die Auswirkungen der jüngsten Ereignisse und eine höhere Risikowahrnehmung im Finanzsektor - höhere Eigenkapitalkosten - zu berücksichtigen.

Mit Material der Nachrichtenagenturen Bloomberg und AWP.

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