In jenem Jahr stammte ein Fünftel der Milliardäre des Landes aus dem Immobiliensektor und alle schwelgten in Geschichten wie der von Hui: vom Tellerwäscher zum Millionär. Dabei betonte Hui pflichteifrig, seinen Erfolg habe er vor allem der Kommunistischen Partei zu verdanken.
Doch nichts ist seitdem mehr, wie es war, und selbst das Bekenntnis zur KP half Hui wenig. Chinas Kampagne zur Kontrolle der aus dem Ruder gelaufenen Immobilienpreise hat die grössten Bauträger des Landes in die Knie gezwungen. Hausverkäufe sinken seit elf Monate in Folge. Die grössten Immobilienmogule haben zusammen einen Vermögensverlust von 65 Milliarden Dollar erlitten, alleine 24 Milliarden Dollar davon steuerte Hui bei, dessen Vermögen sich fast fünftelte. Ein Bloomberg Intelligence-Index für chinesische Immobilienaktien sank am Montag auf ein Fünfjahrestief gegenüber dem Hang Seng China Enterprises Index.
Die Entschlossenheit von Präsident Xi Jinping, “gemeinsamen Wohlstand” für Chinas Bevölkerung zu erreichen, wurde zu einem Wendepunkt. Der Immobilienmarkt spuckt keine Superreichen mehr aus.
“Die goldenen Zeiten sind vorbei”, sagt Craig Botham, Chefökonom für China bei Pantheon Macroeconomics Immobilien sind nicht mehr der Motor für Wirtschaftswachstum oder Vermögensbildung. “Das ist vorbei.”
Immobilienwahn
Die Bedeutung des Immobiliensektors für die Konjunktur der Volksrepublik kann gar nicht hoch genug angesetzt werden. Mit einem Anteil von fast 30 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ist die Branche einer der grössten Wirtschaftsmotoren. Er hat berühmte Namen wie Wang Jianlin, den Gründer der Dalian Wanda Group Co. hervorgebracht und den Wohlstand der Mittelschicht gefestigt. Immobilien machen etwa 60 Prozent der privaten Vermögen aus.
Zwei Jahrzehnte lang war eine Investition in Immobilien eine sichere Sache. Seit Anfang der 2000er Jahre stiegen die Immobilienpreise in China und heizten die Spekulationen an.
Bauträger verschuldeten sich im Ausland. Globale Investoren auf der Suche nach Rendite griffen gerne zu und schnappten sich die hochverzinslichen Anleihen. Das jährliche Emissionsvolumen solcher Anleihen stieg von 675 Millionen Dollar im Jahr 2009 auf 64,7 Milliarden Dollar im Jahr 2020, zeigen Bloomberg-Daten. Die zunehmende Verschuldung wurde zu einem Risiko für das Finanzsystem.
Derweil nahm das Wohlstandsgefälle in China zu.
Crackdown-Büste
Erste Anzeichen, dass die Stimmung sich ändern würde, gab es bereits 2016. In jenem Jahr erklärte Xi, dass Häuser gebaut werden sollten, damit Menschen darin wohnen, nicht zur Spekulation. 2020 führte China dann die “drei roten Linien” ein, welche die Kreditvergabe für Bauträger einschränkte.
Das brachte auch Huis Evergrande in Bedrängnis. Das Unternehmen mit Schulden in Höhe von mehr als 300 Milliarden Dollar geriet im Dezember in Konkurs und zog dabei ein Dutzend weitere Bauträger in Mitleidenschaft.
Seit Anfang letzten Jahres sind chinesische Bauträger mit mindestens 18 Milliarden Dollar an Auslandsschulden und umgerechnet 2,5 Milliarden Dollar an Yuan-Anleihen in Verzug geraten.
Xis Vorstoss für gemeinsamen Wohlstand - das Streben nach einer gleichmässigeren Verteilung des Reichtums im Land - unterstreicht die neuen Prioritäten im Land. Auch der Gouverneur der chinesischen Zentralbank, Yi Gang, pries ein neues Modell für die Immobilienbranche an und deutete an, dass China sich an Singapur orientieren will, wo der grösste Teil der Bevölkerung in öffentlichen Wohnungen lebt.
Die Auswirkungen sind gewaltig: staatliche Bauträger dürften die Branche wieder dominieren. In Not geratene private Entwickler dürften langsam, aber sicher ihrem Niedergang entgegen gehen. Zu erwartende Renditen werden zurückgehen.
Das alles hat zu einer beispiellosen Vermögensvernichtung geführt. Wang von Wanda hat seit Ende 2019 insgesamt 61 Prozent seines Vermögens verloren, Sun Hongbin, der Gründer von Sunac China Holdings, fast 90 Prozent. Hui von Evergrande führt mit einem Verlust von fast 24 Milliarden Dollar die Verliererliste an. Viele, auch Hui, haben privates Geld nachgeschossen, um ihre Unternehmen zu retten.
Dem Bloomberg Milliardärs-Index zufolge machen Immobilienmilliardäre heute weniger als ein Zehntel der reichsten Menschen Chinas aus.
Endziel
Die Folgen der Regulierung wirken sich auf die gesamte Wirtschaft aus, von der Technologiebranche bis zum Bildungswesen. Die Regierung passt ihr Vorgehen daher an, um eine ausgewachsene Krise zu vermeiden. China hat in den letzten Monaten die Anreize für Hauskäufe gegeben und die Zinsen gesenkt.
Es wird jedoch erwartet, dass diese Massnahmen nur langsam wirken werden - einmal wegen der “Null Covid”-Strategie des Landes und zusätzlich, weil ein grosses Treffen der Staatsführung ansteht, bei dem Xi voraussichtlich eine dritte Amtszeit anstreben dürfte. Viele Parteifuktionäre dürften vorher kein Risiko eingehen wollen, unangenehm aufzufallen.
“Abgesehen von der kurzfristigen wirtschaftlichen Ungewissheit könnten auch die spekulativen Käufe gedämpft bleiben, da die Regierung immer wieder signalisiert, dass eine geordnete Marktentwicklung weiterhin Priorität hat”, so Frederic Neumann, Chefökonom für Asien bei HSBC.
Längerfristig bedeutet auch Chinas demografische Entwicklung, dass die goldenen Zeiten am Immobilienmarkt nicht wiederkehren werden.
Da der Sektor ein Drittel des realen Wachstums ausmacht - ähnlich wie in Spanien kurz vor dem Immobilienboom von 2009 - muss die Regierung ihn wieder auf den weltweiten Durchschnitt bringen, so Alicia Garcia Herrero, Chefvolkswirtin für den asiatisch-pazifischen Raum bei Natixis.
“Ich glaube nicht, dass wir eine V-förmige Erholung sehen werden”, sagte sie. Die Regierung wolle nicht, “dass der Sektor zu lange zu schnell wächst”.
(Bloomberg)