Die schwache Binnennachfrage in der nach den USA zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt sorgt dafür, dass Chinas staatlich gestützte Firmen ausländische Märkte mit Billig-Produkten überschwemmen. Dieser Weg sorge für mehr Handelsstreitigkeiten, warnt der ehemalige Chef der Welthandelsorganisation WTO, Pascal Lamy. "Das ist nicht nachhaltig. Überkapazitäten werden unweigerlich zu einem Problem führen", sagt der Experte, inzwischen Professor an der China Europe International Business School. Hintergrund sei, "dass ein Teil des chinesischen Produktionssystems nicht vom Marktverhalten bestimmt wird, sondern von Investitionen, die die Kommunistische Partei Chinas steuert".

Diese Entwicklung zeigt sich in vielen Branchen, etwa bei Stahl, Elektroautos oder Batterien, auch in der Solarindustrie. So bringen Tiefpreise von chinesischen Anbietern etwa die Schweizer Solarfirma Meyer Burger in Bedrängnis. Falls die Politik der Branche nicht zu Hilfe eile, müsse man die hohe Verluste schreibende Modulproduktion im deutschen Freiberg Anfang April schliessen, warnt Meyer Burger. Betroffen wären rund 500 Beschäftigte. "Chinesische Hersteller veräussern Ware in Europa nach unserer Ansicht sehr gezielt weit unter eigenen Herstellkosten", sagt Meyer-Burger-Chef Gunter Erfurt. "Sie können das tun, weil die Solarbranche in China strategisch seit Jahren mit hunderten Milliarden Dollar subventioniert wird. Erfurt sieht einen "massiven Preiskrieg".

Ähnlich geht es dem Dresdner Modulhersteller Solarwatt. "Wir haben eine kurzfristig sehr dramatische Situation. Wenn die deutsche Politik keine Antwort darauf findet, gibt es auch keine langfristige Lösung", sagt Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus im "Handelsblatt"-Interview. "Wir müssen uns Mitte des Jahres entscheiden, ob wir die Produktion schliessen oder nicht."

Die Analyse- und Beratungsfirma Economist Intelligence Unit (EIU) prognostiziert, dass Chinas Batterieproduktionskapazität bis 2027 die Nachfrage um das Vierfache übertreffen wird. Die Europäische Union versucht gleichzeitig, die teilweise grosse Abhängigkeit der europäischen Industrie von China auch bei Materialien und Produkten, die für den grünen Wandel benötigt werden, zu verringern, und fördert eine eigene Batterieproduktion.

China erhöht Produktion - USA und EU bieten Paroli

Sollte die chinesische Wirtschaft im nächsten Jahrzehnt jährlich vier bis fünf Prozent wachsen, könnte Chinas Anteil an den weltweiten Investitionen von 33 auf 38 Prozent steigen, schätzt Michael Pettis, Senior Fellow bei Carnegie China. Der Anteil am weltweiten verarbeitenden Gewerbe würde von 31 auf 36 bis 39 Prozent klettern. Andere grosse Wirtschaftsräume müssten dann entsprechend Einbussen hinnehmen. "Selbst ohne die geopolitischen Spannungen der letzten Jahre und die Politik in den USA, Indien und der Europäischen Union ... wäre dies höchst unwahrscheinlich", betont Pettis, Professor für Finanzen an der Universität Peking. Darüber hinaus müsste die Gesamtschuldenquote Chinas von derzeit etwa 300 auf 450 bis 500 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, um Chinas hohes Investitionsniveau aufrechtzuerhalten. "Es ist schwer vorstellbar, dass die Wirtschaft einen so erheblichen Anstieg der Schulden verkraften könnte", sagt Pettis.

Die nach der Corona-Pandemie ins Stocken geratene Wirtschaftserholung hat Chinas Ziel erschwert, die Inlandsnachfrage anzukurbeln. Deshalb sei das asiatische Land darauf angewiesen, dass andere Staaten mehr Waren "Made in China" einführten, sagt George Magnus vom China Centre der Universität Oxford. "Es ist ein Nullsummenspiel. Wenn die Importe steigen, dann ersetzt das die heimische Produktion", betont Magnus und fügte hinzu, der Westen sei "in dieser Hinsicht politisch entschlossener geworden".

(Reuters)