Galliumnitrid-Chips werden vor allem dann eingesetzt, wenn es um schnelles Laden geht. Das Material kommt mit grossen Mengen Strom klar, ohne allzu heiss zu werden, und ist damit optimal geeignet für das Laden von strombetriebenen Fahrzeugen. Sollte China nun den Export beschränken, müssten Autohersteller umdenken.

Was kann das Wundermaterial alles?

Galliumverbindungen werden in einer Reihe von Produkten verwendet, von LEDs bis zu Smartphone-Adaptern. In seiner reinen Form schmilzt es in der Hand - unterschiedliche Galliumverbindungen sind dagegen begehrte Halbleiter. Für die Autobranche ist vor allem Galliumnitrid als Leistungshalbleiter interessant. Infineon kaufte zuletzt den kanadischen Entwickler GaN Systems für 830 Millionen Dollar und will das Geschäft deutlich ausweiten. Infineon-Chef Jochen Hanebeck sagte dem "Handelsblatt" dazu: "Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem das Geschäft mit Galliumnitrid, kurz GaN, exponentiell abhebt."

GaN-Chips können besonders schnell schalten, ausserdem sind weniger Chips nötig als bei anderen Grundstoffen. Autobauer können damit ihre Ladeeingänge im Fahrzeug kleiner und leichter gestalten. "Man kann entweder schneller laden oder braucht weniger Platz", erläutert Umesh Mishra, Mitgründer des US-Unternehmens Transphorm, das Galliumnitrid-Chips entwickelt. Galliumnitrid könne dabei helfen, das Gewicht zu reduzieren, und sei zudem günstiger als andere Lösungen, für welche kostspielige Edelmetalle wie Platin oder Palladium nötig seien. Weil Effizienz bei Elektroautos besonders zählt, kommt das bei den Autobauern gut an.

Glück im Unglück - «nur» Entwicklungsphase

Noch befinden sich viele der Autos, in denen GaN-Chips eingesetzt werden sollen, in der Entwicklungsphase. Sollte nun tatsächlich Gallium knapp werden, bedeutet das Handlungsbedarf für die Autobauer. Denn so ganz einfach lassen sich die Chips nicht austauschen. Alastair Neill, Direktor beim Forschungsinstitut Critical Minerals Institute, sagt zwar, dass bei den Autos, die in der Entwicklung noch am Anfang stünden, als Alternative Siliziumkarbid-Chips eingesetzt werden könnten, auch wenn diese andere Eigenschaften hätten und im Vergleich zu GaN weniger Leistung böten. "Aber wenn man sich auf Galliumnitrid festgelegt und das in der Entwicklung berücksichtigt hat, steckt man in Schwierigkeiten", fügt er hinzu. Ein Grund: Bei Siliziumkarbid sind zwei Chips an einem Ladepunkt nötig - bei Galliumnitrid reicht einer.

Ein japanischer Autozulieferer prüft einem Insider zufolge deshalb gerade, ob Galliumnitrid oder Siliziumkarbid zum Einsatz kommen soll. "Sollten wir eine grössere Menge dieser Produkte nutzen, sind die chinesischen Exportkontrollen durchaus ein Faktor", sagte die mit den Überlegungen des Unternehmens vertraute Person, die nicht genannt werden wollte. Infineon lehnte eine Stellungnahme direkt zu Gallium ab und verwies auf seine Beschaffungsstrategie, welche auf unterschiedliche Lieferanten in verschiedenen Ländern setze. Derzeit seien keine grösseren Auswirkungen auf die Produktion zu erkennen.

China als Knotenpunkt

Zumindest derzeit führt bei der Gallium-Beschaffung kein Weg an China vorbei. Weltweit stammt fast das gesamte benötigte Rohgallium aus der Volksrepublik. Das Material fällt bei der Aluminiumproduktion als Nebenprodukt ab - grundsätzlich ist die Produktion damit auch in Aluminiumwerken anderswo möglich. Bis 2016 wurde auch in Deutschland Gallium in Stade produziert - aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Produktion jedoch eingestellt. "China hat seit spätestens 2011 die gesamte Galliumindustrie mit Dumpingpreisen zerstört", sagt Michael Herz, Chef des Waferherstellers Freiberger Compound, der Galliumarsenid unter anderem für LEDs produziert und zu den wichtigsten Galliumkunden weltweit gehört. Transphorm-Mitgründer Mishra zeigt sich entsprechend zuversichtlich, dass Alternativen gefunden werden: "Wenn China komplett den Hahn zudreht, werden die Preise steigen, und dann werden die Leute ihre Werke in anderen Ländern wieder hochfahren."

(Reuters)