"Das wird noch eine Zeit dauern, bis die Inflation wieder dort ankommen wird, wo sie hingehört, nämlich bei zwei Prozent", sagte Nagel dem Fernsehsender NTV in einem am Montagabend ausgestrahlten Interview. "Das heißt, wir werden noch durch einige harte Monate gehen", fügte er hinzu. Die EZB habe schon stark gehandelt mit vier Zinserhöhungen im Laufe des Jahres. "Und die Zinserhöhungen werden weitergehen", sagte er. "Wir sind schon eine Wegstrecke gegangen, aber da muss noch einiges folgen."

Die EZB hatte am Donnerstag auf ihrer jüngsten Zinssitzung nach zwei Jumbo-Zinsschritten im September und Oktober um jeweils 0,75 Prozentpunkte die Schlüsselsätze diesmal um 0,50 Prozentpunkte nach oben gesetzt. "Das war ein robuster Zinsschritt. Und es war nicht der letzte. Aus heutiger Sicht müssen weitere robuste Schritte folgen", sagte Nagel dem "Stern". EZB-Chefin Christine Lagarde signalisierte nach dem Zinsbeschluss, dass der Takt von Anhebungen um einen halben Prozentpunkt auf den kommenden Sitzungen voraussichtlich beibehalten werde. Das nächste Zinstreffen der Euro-Notenbank findet am 2. Februar statt.

Durch die Gaspreisbremse werden im Dezember niedrigere Teuerungsraten zu sehen sein, führte Nagel aus. "Wir werden im Januar, Februar nächsten Jahres dann wieder leicht höhere Inflationsraten sehen", ergänzte er. Im Jahresverlauf 2023 werde die Inflation in Deutschland noch etwa bei sieben Prozent liegen. "Und ab dem Jahr '24 werden die Inflationsraten dann deutlich zurückgehen." Zinserhöhungen hätten eine Wirkungsverzögerung von 18 Monaten bis zu zwei Jahren. Das gehe nicht von heute auf morgen. "Deswegen muss ich an der Stelle noch um Geld bitten," so Nagel. Die Inflationsrate lag im November im gesamten Euro-Raum bei 10,1 Prozent. Das ist fünf mal sie viel wie das mittelfristige Ziel der EZB von zwei Prozent Inflation, das sie als optimal für die Wirtschaft anstrebt.

Nagel mahnte zudem in der Finanzpolitik eine baldige Rückkehr des Bundes zur Schuldenbremse im Grundgesetz an. Es sei richtig gewesen, in der Pandemie und dem aktuellen Energiepreisschock durch den Ukraine-Krieg mehr Schulden aufzunehmen, sagte Nagel dem "Stern". "Die Ausnahme darf nicht zur Regel werden", fügte Nagel hinzu. Es sei "ein Segen" gewesen, dank der sparsamen Haushaltspolitik in den vergangenen zehn Jahren große finanzielle Spielräume gehabt zu haben, "und zu dieser Politik müssen wir schnell zurückkehren".

(Reuters)